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Die Fichte verschwindet: Baden-Württembergs Wuchsgebiete mit geeignetem Klima für Fichtenkulturen bis 2000 (links) und in 35 Jahren (rechts) © ForstBW

Sägerriese? Ja, aber …

Ein Artikel von Hannes Plackner (für Timber-Online bearbeitet) | 25.03.2014 - 11:33
Die deutsche Nadelsägeindustrie muss ihre Märkte wohl vor der Haustür suchen. Hochwertiger Holzbau bietet noch Potenzial, während die Wettbewerbsfähigkeit im Export unter hohen Rundholzpreisen leidet. Was das angeht, wurden am letztwöchigen Sägewerkskongress bekannte Befürchtungen bestätigt: Die Ertragslage ist nach wie vor schlecht. Doch welche Auswege gibt es? Primär die Holzbau-Konjunktur in Deutschland, in deren Kielwasser KVH-, BSH- und BSP-Verbrauch steigen. Aber dafür muss man was tun. Zahlreich wurde auf Österreich mit seiner Marketingplattform proHolz verwiesen. Und auf deren Holzbauanteil von fast 40 % – während in Deutschland nur jedes siebte Haus aus Holz gebaut wird.

Rundholz kommt per Sturm

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Die Fichte verschwindet: Baden-Württembergs Wuchsgebiete mit geeignetem Klima für Fichtenkulturen bis 2000 (links) und in 35 Jahren (rechts) © ForstBW

Folgen wir den Vorträgen entlang der Wertschöpfungskette. Der Forstbesitz (Max Reger, ForstBW, und Dr. Rudolf Freidhager, BaySF) sagte zusammengefasst: „Wir ernten, was nachhaltig zur Verfügung steht.“ Doch die Nadelholzmengen werden in den kommenden Jahren zurückgehen. Reger zeigte ein Schaubild mit den günstigen Fichtenstandorten in Baden-Württemberg. In vergangenen Jahrzehnten ließ sich die Picea abies mit Ausnahme des Rheintals fast landesweit kultivieren. 2050 bleiben aufgrund des Klimawandels aber nur mehr lokale Gebiete im Schwarzwald und Schwaben. Die überwiegend schwarze Farbe (=ungeeignetes Wuchsgebiet) führte die drohende Entfichtung deutlich vor Augen.
Dazu kommt die Politik. Baden-Württembergs grün-rote Landesregierung will bis 2020 ein Zehntel der Waldfläche aus der Nutzung nehmen.
Was also tun? Können zusätzliche Nadelholzmengen aus dem Privatwald mobilisiert werden? Nein, sagt Michael Funk. Der Berater mit langjähriger Industrieerfahrung sieht den Privatwald bereits mobilisiert – aber in erster Linie für energetische Nutzung, sprich: Scheitholz für den Kachelofen.
Der Waldumbau zeigt sich indes deutlich in der Statistik. Bei der Fichte werden gegenwärtig 132 % des Zuwachses geerntet. Die Fichtenvorräte schrumpfen also. Anders bei der Kiefer: Dort werden nur 76 % geerntet. Sinkende Fichtenvorräte erwartet Funk auch in der Bundeswaldinventur – aber nicht gleichmäßig. Der Vorrat an Nadelstarkholz könnte erneut steigen.
Nun wird‘s interessant für die Einkäufer: Bezüglich des Nutzungspotenzials von Fichte rechnet Funk mit einem Rückgang von 10 % bis 20 %. Das gelte nur, wenn man für die BWI 3 das gleiche Holzaufkommensmodell wie für die BWI 2 (2002) verwendet. Dort waren aber weder Waldumbau noch Kalamitäten berücksichtigt. Der Experte plädierte dafür, diese zumindest in einem Szenario („Kalamitäten-WEHAM“) zu berücksichtigen. Denn: Stürme, Schneedruck und buchenaffine Landesregierungen könnten genug Fichte aus den deutschen Wäldern generieren, um die bestehenden Sägewerkskapazitäten bis 2030 auszulasten. Planen lässt sich damit aber freilich nicht.

Krimkrise bringt Unsicherheit

Der Welthandel ist vom Holzhunger Chinas geprägt. Das zeigt der Vortrag von Sampsa Auvinen, CEO der baltischen Norvik-Timber-Gruppe. Deutschland profitiert davon noch kaum. Der Chinaexport hat sich im Vorjahr zwar auf 247.000 m3 verfünffacht, macht aber nur 4 % an der Gesamtausfuhrmenge aus. Es seien aber nur billige Randsortimente oder -holzarten zu verkaufen. „Mit unseren Fichten B/C-Preisen haben wir in China keine Chance“, sagte dazu Jörn Kimmich von Binderholz Deutschland.
Innerhalb Europas könnte Schweden heuer ein starker Exportkonkurrent werden. Aufgrund der Herbststürme sei die Rundholzversorgung sogar in Südschweden gut, berichtet EOS-Präsident und Vida Timber-CEO Måns Johansson aus seiner Heimat.
Kaum abschätzbar sind die Auswirkungen der Krimkrise auf die globalisierte Holzwelt. Mit akuten Wirtschaftssanktionen rechnete Auvinen nicht. Er beobachtet die Lage genau, zumal Norvik Timber selbst ein Sägewerk in Nordwestrussland betreibt. Der um 25 % gefallene Rubelkurs verbilligt den Kauf von russischem Rundholz ebenso wie Direktinvestitionen. Letztere schließt Auvinen aber auf längere Sicht aus. Kein westlicher Konzern werde bei so einer politischen Lange nach Russland gehen.
Eine interessante Anmerkung machte Microtec-Chef Dott. Federico Giudiceandrea. Sein Unternehmen rüstete südamerikanische Schnittholzproduzenten aus, die mit Hightech (Computertomografie) schnell wachsende Radiatakiefern verarbeiten und dann nach China oder in die USA exportieren. Nun würden aber Strategien entwickelt, um diese Ware auch in die Levante oder sogar nach Südeuropa zu verschiffen, berichtete er.
Zurück nach Europa. Dessen interessantester Schnittholzabsatzmarkt sei heuer England, sagte Auvinen. Im Großraum London werde extrem viel gebaut – auch mit Brettsperrholz. Diese Bauweise propagierte auch Hans-Michael Offner. Als Obmann von proHolz Austria (und seit 2013 Eigentümer des BSP-Herstellers KLH) sieht er in „innovativen Holzbauprodukten“ die beste Möglichkeit, um Erträge im Land zu generieren. Dass Deutschland fünf Jahre nach Ende des Holzabsatzfonds noch keine finanziell potente Nachfolgeorganisation auf die Beine stellen konnte, sorgte bei dem Österreicher Offner für Unverständnis.

Säge schafft sich ab …

Erschreckende Zahlen präsentierte Leonhard Nossol, Präsident der Arbeitsgemeinschaft Rohholzverbraucher, gleich zu Beginn des Kongresses. „Wir sind in einer Branche, der es einfach nicht gutgeht.“ Das konstatierte er anhand der zuletzt verfügbaren Jahresberichte von Leitbetrieben aus der Säge-, Spanplatten- und Zellstoffindustrie, die 2012 in Summe 150 Mio. € verlor. Die Rendite war mit –3 % im roten Bereich. Alarmierend ist die Investitionsquote: Von der Abschreibungssumme werden nur 40 % wieder reinvestiert. Deutschlands Holzindus­trie schafft sich damit ab …
Maschinenbauer, die an der Diskussion teilnahmen, denken aber nicht, dass Deutschland seine Führungsposition bei Sägewerkstechnik verliert. Statt in Einschnittskapazität werde eben in Weiterverarbeitung und erhöhte Wertschöpfung investiert. Mehrmals genanntes Schlagwort war die Kommissionierung.

Holz bringt 260.000 Jobs

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Stoffstrom in der EU-Holzverarbeitung: Von 423?Mio.?fm Holzernte wurde nur ein Fünftel zu Massivholzprodukten verarbeitet (alle Zahlen: Stand 2012, Quelle: FCBA/EOS) © Johannes Plackner

Eine neue Studie über Europas Sägeindustrie präsentierte Andreas Kleinschmit von Lengefeld von der Forschungsorganisation FCBA, Paris. Er berechnete etwa die Stoffströme der europäischen Holzverarbeitung (Stand 2012), die oben grafisch aufbereitet sind. Anders als oft vermutet, ist die europäische Schnittholzverarbeitung quasi selbsterhaltend. Schnittholzimporte (9,7 Mio. m3) sind angesichts eines EU-Verbrauches von 86,6 Mio. m3 gering. Der Bau ist mit 54,7 Mio. m3 wichtigster Abnehmer von Massivholz. Es folgen Verpackung (18,4 Mio. m3), Möbel (3,7 Mio. m3) und sonstige Nutzungen (8,3 Mio. m3). Das heißt aber: Nur ein Fünftel der geernteten Rundholzmenge von 423 Mio. fm Laub- und Nadelholz findet seinen ein Einsatz als Massivholzprodukt. 80 % werden verbrannt, zerspant, zerfasert oder aufgelöst (Zellstoff). Die Sägeindustrie allein generiert 34 Mrd. €/J an Umsatz. Rechnet man davon abhängende Verarbeiter dazu, summiert sich diese Summe auf 90. Mrd. €/J. „Jeder Euro, den ein Sägewerk umsetzt, bringt 2,1 € in nachgelagerten Unternehmen mit sich“, betonte Kleinschmit von Lengefeld. Ähnlich ist es bei den Arbeitsplätzen: 260.000 sind EU-weit in der Sägeindustrie beschäftigt. Inklusive abhängiger Indus­trien beträgt diese Summe 850.000 Jobs. Anders ausgedrückt: Je 100 m3 Schnittholzproduktion bringen einen Arbeitsplatz.