13921209186663.jpg

Ungewöhnliches Layout, das nicht funktionierte: Der Rettenmeier-Standort Ramstein vor knapp fünf Jahren zeigt ein Sägewerk ohne herkömmlichen Rundholzplatz © Rettenmeier

Reif für die Übernahme

Ein Artikel von Hannes Plackner | 11.02.2014 - 13:30
13921209186663.jpg

Ungewöhnliches Layout, das nicht funktionierte: Der Rettenmeier-Standort Ramstein vor knapp fünf Jahren zeigt ein Sägewerk ohne herkömmlichen Rundholzplatz © Rettenmeier

Anlässlich des absehbaren Abschlusses des Verkaufsprozesses von Rettenmeier Holz, Wilburgstetten/DE, lohnt ein Blick in die Bilanzen. Er erklärt den finanziellen Niedergang eines Unternehmens, das vor fünf Jahren noch über 40 % an Eigenkapital inklusive Mezzaninkapital und Gesellschafterdarlehen verfügte. Jetzt steht man vor dem Verkauf an einen ausländischen Investmentfonds. Das liegt zusammengefasst an folgenden Entwicklungen:
Die Verluste von Rettenmeier Holz von 2010 bis 2012 summieren sich auf 156 Mio. €.
Mit Stichtag 31. Dezember 2012 hatte die Rettenmeier-Gruppe ein negatives Eigenkapital in Höhe von 92,6 Mio. €.
Dank eines Fortführungsgutachtens liegt eine bilanzielle, aber keine rechtliche Überschuldung vor.
Aufgrund Rettenmeiers starker Marktposition wird ein Weiterbetrieb empfohlen.

Fehlinvestition und Krise

13921210419786.jpg

© Holzkurier

Die Hauptursache für diese Entwicklung liegt in Ramstein. Als katastrophale Fehlinvestition muss im Nachhinein Rettenmeiers Sägewerkkonzept gelten, das dort umgesetzt werden sollte. Statt Gewinnen wurden in Ramstein von 2009 bis 2012 an die 100 Mio. € Verlust erwirtschaftet. So viel Geld hatten die Eigentümer nicht. Wirtschaftskrise und Steuernachzahlungen taten ein Übriges. Aufgrund der Überschuldung bestehen die Banken nun auf dem Verkauf der Gruppe. Dabei hat Rettenmeier Holz, Wilburgstetten/DE, offenbar den Turnaround geschafft und plant heuer mit schwarzen Zahlen.

Strategisch richtig, operativ ein Fiasko

Die Restrukturierung des Konzernes mit einst 1500 Mitarbeitern (2009), traf auch die Familienunternehmer selbst. Am 28. November 2013 verließ Dr. Josef Rettenmeier als letzter Spross der Dynastie jenes Unternehmen, das er einst mit seinem Bruder Helmut zu einem führenden Holzverarbeiter aufbaute. Ein Blick zurück:
2009 trübte sich die Lage der bis dahin expansiven Rettenmeier-Gruppe ein. Finanz- und Immobilienkrise drückten den Umsatz um 16 % auf 263 Mio. €.
Fatal waren aber die Schwierigkeiten bei der Inbetriebnahme des Sägewerks Ramstein. Die Linie basierte auf dem für Mitteleuropa ungewöhnlichen Onlinebetrieb (ohne Rundholzsortierung), brachte aber nie die geplante Leistung. Das Management entschied daraufhin, praktisch ein zweites Sägewerk zu bauen, diesmal mit bewährter Technik von Linck und Springer. Damals kalkulierte man mit 26 Mio. € Umbaukosten, die 2010 und 2011 anfallen sollten.
In diesen Monaten eskalierten zudem Konflikte zwischen den geschäftsführenden Brüdern Helmut und Josef Rettenmeier. Am 22. September 2009 – nicht mal ein Monat nach der feierlichen Eröffnung von Ramstein – wurde Helmut Rettenmeier aus dem Vorstand der Holding AG abberufen. Das habe aber nichts mit dem Ramstein-Fiasko, sondern mit „unüberbrückbaren Differenzen bezüglich der Unternehmensstrategie“ zu tun, betont Helmut Rettenmeier gegenüber dem Holzkurier. Im
Zuge der Abberufung ordnete der Aufsichtsrat seine Person betreffend eine Sonderuntersuchung an, deren Ergebnisse aber nicht öffentlich wurden. Das alleine kostete 2 Mio. €.
Trotzdem rechnete man damals, 2010 den Jahresüberschuss um 21 % auf 2,5 Mio. € auszuweiten. Doch das Gegenteil trat ein.

Nun beginnt die Sanierung

2010 schlug Ramstein voll durch. Es wurde kein Gewinn, sondern ein 58,1 Mio. €-Verlust erzielt. Das Eigenkapital schrumpfte um 90 % auf nur mehr 6,66 Mio. €. Alleine das außerordentliche Ergebnis (Schließungskosten, Restrukturierungskosten, Verluste in Ramstein) machte –35,3 Mio. € aus. Die Liquidität wurde knapp. Inmitten dieser Krise verlor das Unternehmen zudem 6,5 Mio. €, die nach Informationen des Holzkuriers auf Abschreibungen von Randgesellschaften der Familie zurückzuführen sind. Für weiteren Liquiditätsabfluss sorgte eine Betriebsprüfung der Jahre 1998 bis 2007. Steuernachzahlungen in Millionenhöhe waren nötig. 2010 stieg die Steuerlast für Rettenmeier Holz gegenüber dem Vorjahr um 4,75 Mio. € auf 7,55 € Mio. €. Dazu kamen 3,58 Mio. € Rückstellungen, die laut Jahresabschluss zu Steuernachzahlungen für Vorjahre, insbesondere aus der Betriebsprüfung, genutzt werden sollten und großteils im Folgejahr abgerechnet wurden.
Wirtschaftskrise, Sonderabschreibungen, Fehlinvestition und Steuernachzahlungen machten Rettenmeier Holz zu einem Restrukturierungsfall. 2010 wurde mit Ernst & Young ein erfahrener Sanierer ins Unternehmen geholt. Gemeinsam mit den Gläubigern vereinbarte man unter anderem:
vorübergehende Zinsstundung
Zins- und Tilgungsverzicht für Mezzaninkapital
neuer Kredit von 24 Mio. €, um Liquidität in Sanierungsphase zu sichern

72 Mio. Verlust in einem Jahr

Trotz Sanierungsbemühungen erreichte Rettenmeier Holz die Talsohle erst 2011. Der Umsatz stieg in diesem Jahr zwar um 6,3 % auf 315 Mio. €, doch auch der Verlust weitete sich auf 71,8 Mio. € aus. Sogar der Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit war mit –33,1 Mio. € blutrot. Alleine Ramstein verursachte in diesem Jahr 69 Mio. € Verlust. Davon entfielen 34,4 Mio. € auf außerplanmäßige Abschreibungen und 21,5 Mio. € auf Drohverluste aus künftigen Leasingraten. Mezzaninkapital und Gesellschafterdarlehen wurden als nachrangig erklärt und zählen seither de facto zum Eigenkapital. Das machte aber nur 7 Mio. € aus. Bei einem bilanziellen Eigenkapital von –66,2 Mio. € war die Gesellschaft hoffnungslos überschuldet. Trotzdem musste keine Insolvenz angemeldet werden. Die Banken stimmten zu, die Sanierung bis 30. Juni 2015 zu finanzieren.
Im April 2011 wurde Florian Volk als Chief Restructuring Officer (CRO) berufen. Die Gläubiger versorgten das Unternehmen mit Liquidität und suchten einen finanzstarken Käufer. 2012 begann der M&A-Prozess, der von Pöyry beraten wird.

2012 immer noch in Verlustzone

Der letzte von Dr. Josef Rettenmeier unterschriebene Jahresbericht erschien vergangenen September. Operativ schaffte die Gruppe 2012 eine Verbesserung, aber immer noch keine Profitabilität. Das Betriebsergebnis war mit –4,43 Mio. € negativ. Finanz- und außerordentliches Ergebnis führten in Summe zu einem Jahresfehlbetrag von 26,4 Mio. €. Ramstein drückte immer noch auf die Bilanz. 2012 waren Rechnungsabgrenzungsposten für vorausbezahlte Leasingbeträge in Höhe von 9,2 Mio. € berücksichtigt. Beratungskosten im Zusammenhang mit der Sanierung schlugen allein in diesem Jahr mit 4,36 Mio. € zu Buche.
Der Jahresbericht 2012 gibt auch Aufschluss über die Einzelgesellschaften. Die Rettenmeier Holzindustrie Ramstein schrieb 3,15 Mio. € Verlust, ebenso die Rettenmeier Holzindustrie Hirschberg mit –2,03 Mio. €. Dafür lieferte Rettenmeier Holzindustrie Wilburgstetten 813.000 € Gewinn ab.
Die allgemein schlechte Ertragslage der Sägebranche erschwerte die Sanierung. Um liquide zu bleiben, war es für den Konzern nötig, im Zuge der Restrukturierung zwei Sanierungskredite in Höhe von 44,9 Mio. € aufzunehmen.

Personalkarussell dreht sich

2013 trennte man sich von zwei Standorten. Die slowakische Tochter Rettenmeier Polomka Timber blieb dabei sogar in der Familie. Sie ging an die vier Kinder von Helmut Rettenmeier und firmiert nun als myWood Polomka Timber. Der baden-württembergische Standort Gaildorf/DE wurde von Junginger Holz übernommen, der eine KVH-Fertigung aufbaut. Die dortige Unterlagsplattenproduktion stellte Rettenmeier Mitte 2013 ein.
Im Zuge der Sanierung drehte sich das Personalkarussell rasant. CFO Dietmar Breithaupt verließ den Vorstand im August 2012. Aufsichtsratsvorsitzender Hartmut Fröhlich schied Mitte 2013 aus dem Gremium aus. CRO Volk wurde 2012 von Michael Weimar und Dr. Stephan Lang als Finanzvorstand abgelöst. Seit 31. Januar 2013 sitzt Frank Dietz auf Weimars Stuhl, Lang blieb im Management. Letzterer bestätigte unlängst gegenüber Timber-Online, dass sich der Verkaufsprozess in der Endphase befinde. Offenbar wird Rettenmeier ebenso an einen Investmentfonds verkauft wie im Vorjahr Klenk Holz. Die Ertragslage sieht indes wieder positiver aus. Laut Lang habe sich 2013 das EBITDA (Ergebnis vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen) nach vorläufigen Zahlen auf rund 26 Mio. € verdoppelt. „Alle Rettenmeier-Gesellschaften schlossen das Vorjahr in der Gewinnzone ab“, sagt der Finanzvorstand auf Nachfrage.

Käufer hat gute Aussichten

Der M&A-Prozess steht nun vor seinem Abschluss. Noch im Februar wird mit einer Übernahme der Rettenmeier-Gruppe gerechnet. Laut Insidern habe der Schweizer Finanzinvestor Capvis Equity Partners, Zürich, die besten Karten für die Akquisition. Damit würden die beiden einst größten Sägewerkskonzerne in deutschem Familienbesitz dasselbe Schicksal ereilen: Übernommen von einem ausländischen Investmentfonds. Egal, wer die Rettenmeier-Gruppe jetzt akquiriert – die Aussichten für den Weiterbetrieb sind nicht schlecht. Der Käufer erhält einen operativ positiven Konzern mit bekannter Marke.
Neuigkeiten gibt‘s ebenfalls in der Slowakei. Laut Aussage von Helmut Rettenmeier soll myWood Polomka Timber dort im laufenden Jahr ein Sägewerk in Betrieb nehmen.