14041979145634.jpg

Der Pavillon als Rendering © Pachner

Programmierte Architektur

Ein Artikel von Michael Reitberger | 01.07.2014 - 08:56
14041979145634.jpg

Der Pavillon als Rendering © Pachner

Im Bauwesen ist der Computer seit Jahrzehnten als Planungs- und Simulationstool nicht mehr wegzudenken. Außerdem sind es die Computer, die Produktionsmaschinen mit Informationen füttern und in der Vorfertigung auf Zehntelmillimeter genaue Bohrungen, Ausformungen oder Gehrungen sorgen. Mit ihnen können wir das, was in der Realität noch nicht existiert, simuliert darstellen und überprüfen, ob Dächer Wind- und Schneelasten oder Wände Schall- und Brandbelastungen standhalten. Die Funktionsvielfalt wird dabei immer mannigfaltiger. Ehre dem, der den Durchblick behält.

Simulation zum Quadrat

Auf der Suche nach der nächsten Stufe des technisierten Holzbaus ist die Redaktion des Fachmagazins Holzbau Austria auf einen bislang unbekannten jungen Mann gestoßen, der uns seine Vorstellung der Holzarchitektur von morgen gezeigt hat: Der 27-jährige Architekt Thomas Pachner ist Profi auf dem Gebiet des Computational Designs. Computational Design bezeichnet eine Entwurfsmethode, wobei der Output – ein architektonisches Modell oder fertige Gebäudeteile – von einem Algorithmus erzeugt, also mithilfe einer Software programmiert wird. Die Technologie eignet sich, um komplexe Geometrien umzusetzen. Der Entwurfsprozess bis hin zur fixfertigen Erstellung der Maschinendaten (etwa für eine CNC-Anlage) entsteht am Computer. Das macht eine eigenständige Arbeitsvorbereitung quasi überflüssig. Wer sich jetzt fragt, wo hier noch Platz für den Menschen oder den Handwerker bleibt: Zum einen ist es schon jetzt unbestritten, dass sich handwerkliche Berufe immer stärker hin zum Büro und weiter weg von der Werkstatt entwickeln. Zum anderen ist die vorgestellte Thematik noch fernab von einer Massenproduktion. Bis dahin bedarf es noch einiger Weiterentwicklungen, aber vor allem einer Vermarktung.
Es handelt sich hierbei um eine Form der Gebäudeplanung, die nur in äußerst ausgeklügelten architektonischen Freiformentwürfen Anwendung findet. Wie bei dem Projekt von „Smart Guy“ Pachner: Sein „Papillon“ ist ein öffentlich zugänglicher Pavillon aus Holz, der schnell auf- und wieder abgebaut werden kann. In gewisser Weise stellt der Papillon ein Kunstobjekt dar, wovon jedes Teil einzigartig ist. Allerdings handelt es sich um nutzbare Kunst – der Papillon kann Sitzgelegenheit, Ruhezone oder Ort des Dialogs sein. Die einzigen Bleistiftstriche, die der aus Grieskirchen stammende Architekt dafür aufs Papier gebracht hat, waren zwei geschlossene Leitkurven. Diese Geometrie hat er in seinen Computer übertragen, wo das endgültige Design mit dem gezielten Setzen von Parametern festgelegt wurde. Herstellung und Montage spielten dabei von Beginn an essenzielle Rollen. Am Computer kann in Echtzeit verfolgt werden, wie sich die Gestalt des Basisentwurfs durch das Abändern der Parameter ändert.

Der Kraft der Ameise auf der Spur

14041979130632.jpg

Thomas Pachner mit seinem Papillon aus Holz in Miniaturausführung © Michael Reitberger

Die „Wände“ des Papillon sollen aus gebogenen Sperrholzplatten bestehen. Verbunden werden sie durch eine Ausfachung mit wellenförmigen Lamellen aus mit Glasfaser verstärktem Kunststoff (Gfk). Schlicht aus Gründen der Materialtauglichkeit konnte Pachner nicht auf den Einsatz von Gfk verzichten. „Als Sohn eines Tischlers bin ich quasi mit Holz aufgewachsen. Ich habe bald gemerkt, dass ich einmal mehr mit diesem Werkstoff machen will. Ich bin aber überzeugt, dass Holz dort eingesetzt werden muss, wo es Sinn macht: Um leicht und ökologisch zu bauen, am besten so viel wie möglich. Um das Potenzial des Werkstoffs aber voll auszunutzen, darf man sich vor anderen Materialien, beispielsweise zum Zwecke der Verstärkung, nicht verschließen.“ Im Laborversuch konnte Pachner mit seinen Papillonwänden eine maximale Krafteinwirkung von 260 kg nachweisen – und das bei einem Eigengewicht der Versuchswand von nur 4 kg – wie bei Ameisen.

Physikgenie Känguru

Für den Entwurfsprozess verwendete der Ingenieur sechs Softwarelösungen: Es fallen animalische Namen, wie Rhinoceros, Grasshopper, Kangaroo, Rhino Script, Rhino Nest und Evolute Tools Pro. Je nach Anwendungsfall sind die Programme mächtige Werkzeuge in ihren Bereichen. Während sich Rhinoceros um die 3D-Modellierung kümmert, lassen sich im Add-on-Kangaroo physikalische Kräfte simulieren und direkt in die Modellierung einbinden. Mit Rhino Script hat Pachner insgesamt 7000 Zeilen Text in der Programmiersprache Visual Basic geschrieben, womit er das Design parameterbasiert optimieren konnte. Um die verwendeten Materialien so verschnittfrei wie möglich zu nutzen, kam sogenanntes Nesting zum Einsatz.
Rhino Nest sorgte für einen hohen Materialausnutzungsgrad und optimale Kosteneffizienz. Evolute Tools Pro half, die Freiformgeometrien der Sperrholzwände insofern zu optimieren, dass deren perfekte Abwicklung und reibungslose Fertigung vonstattengehen können.

Holzbekenntnis

14041979112466.jpg

Die Wandkonstruktion des Papillon besteht aus Sperrholzplatten und Gfk © Michael Reitberger

Zu 90 % besteht Pachners Papillon aus Holz. Er hat den Werkstoff aber nicht nur aufgrund seiner persönlichen Vorliebe gewählt: „Holz lässt sich hervorragend formen, bearbeiten und bietet die unschlagbare Möglichkeit einer leichten und vorfertigbaren Bauweise. Ich glaube, dass dem Thema der Ressourcenschonung im Bauwesen am besten mit Holz entgegenzukommen ist. Leider nimmt es in puncto Haltbarkeit und Brandsicherheit in den Köpfen vieler einen weit schlechteren Stellenwert ein, als ihm gebührt. Als Architekt, der mit Holz bauen will, muss man stets andere davon überzeugen, dass der Baustoff tatsächlich das kann, was Holzprofis schon lange wissen. Leider kommen Behörden und Regierungsapparate nicht von alleine auf die Idee, dass der Holzbau so gut ist. Die Überzeugungsarbeit zahlt sich aber aus. Das beweisen viele wegweisende Holzgebäude, wie es Shigeru Ban mit dem Centre Pompidou oder Foster und Partner mit der Canary Wharf-Bahnstation zeigten. Der einzig richtige Weg ist, sich schon im Designprozess zum Holz zu bekennen.“

Partner gesucht

Pachners Papillon existiert derzeit nur als mehrere Gigabyte umfassende Designstudie am Computer. Sein Ziel ist es aber, die monatelange Programmierarbeit in ein fassbares Objekt umzusetzen, weshalb er die Redaktion gebeten hat, einen Aufruf zu starten: Wenn sich ein innovatives Unternehmen finden würde, das über die Möglichkeit einer dreiachsigen CNC-Bearbeitung verfügt und Thomas Pachner unterstützen möchte, geht der Traum des im Wiener Museumsquartier stehenden Holzpavillon vielleicht noch in Erfüllung. Pachner kann die an Ihre Maschine angepassten Produktionsdaten fertig liefern.

Kontakt: tompach@hotmail.com

Der Beitrag ist in der Fachzeitschrift Holzbau Austria 4/2014 erschienen.