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Russ Taylor, Geschäftsführer der International Wood Markets Group, ist anerkannter Experte für Asiens Holzmärkte © International Wood Markets Group

Nicht verrückt, bloß sehr gut

Ein Artikel von Hannes Plackner (für Timber-Online bearbeitet) | 09.09.2014 - 10:25
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Russ Taylor, Geschäftsführer der International Wood Markets Group, ist anerkannter Experte für Asiens Holzmärkte © International Wood Markets Group

Einst erwartete Russ Taylor, Chef des kanadischen Beratungsunternehmens International Wood Markets Group, Vancouver, eine sprunghafte Entwicklung der Nadelschnittholz-Preise in Nordamerika. (s. Holzkurier Heft 20/12, S. 2–3) Doch die Voraussetzungen dieses „Super Cycles“ sind nicht alle eingetreten. Eine simultane Erholung der US-Baukonjunktur, steigender Export nach China und Rundholzknappheit – Stichwort: Käferholz – hätten „verrückte“ Schnittholzpreise gebracht. Doch die Nachfrageseite in dieser Gleichung ist weniger stark, als prognostiziert.

Wie sich die globalen Schnittholzmärkte entwickeln werden, was chinesische Tiefwasserhäfen damit zu tun haben und warum Europa die richtigen Produkte für künftige Exporterfolge hat, schilderte Taylor im Telefoninterview.

Holzkurier: Herr Taylor, Sie haben in vergangenen Jahren den Begriff des „Super Cycles“ geprägt. Bislang ist der Schnittholz-Megamarkt nicht eingetreten. Kommt er noch?
Russ Taylor: Seit 2007 haben wir einen Rückgang des Rundholzaufkommens in Nordamerika, ein Anwachsen der Exporte nach China und erhöhte Schnittholznachfrage am Heimmarkt vorausgesagt. Versorgungsseitig sind die Rückgänge eingetroffen. Die US-Bautätigkeit und damit die Nadelschnittholz-Nachfrage wachsen aber nur sehr langsam. Ein Grund dafür ist die hohe Arbeitslosigkeit. Zudem ist der Anteil der Beschäftigten mit schlechter entlohnten Jobs, die sich nicht für eine Hypothek qualifizieren, gestiegen. Europa erholt sich ebenfalls nur sehr langsam. Sogar in China hat sich die Baukonjunktur abgeschwächt. Es wird also wesentlich weniger Holz nachgefragt, als wir ursprünglich angenommen haben. Die Möglichkeit des Super Cycles besteht nach wie vor, wenn der Absatz in den kommenden zwölf bis 18 Monaten anzieht. Das wird aber immer unwahrscheinlicher.

HK: Klingt nicht rosig. Trotzdem sind die Aktienkurse der nordamerikanischen Holzkonzerne stabil oder steigen.
Taylor: Bereits in der gegenwärtigen Situation sind die Schnittholzpreise sehr hoch. Jeder verdient Geld. Ein Super Cycle hätte aber geheißen, dass die Preise verrückt nach oben schießen. Stattdessen scheint sich eine Balance zu bilden.

HK: Unlängst war die deutsche Sägeindustrie auf der IWF-Messe in Atlanta, um „German Timber“ zu promoten. Wirkt das schon? Sind europäische Schnittholzmengen am Markt zu spüren?
Taylor: Nein. Gegenüber dem Vorjahr stiegen Deutschlands Exporte im 1. Halbjahr zwar um 66 %. Mit nun 70.000 m3 ist das Niveau aber weit weg von dem, was einst war. 2005 kamen 5 Mio. m3 Nadelschnittholz aus Europa in Nordamerika an. Dabei ist Deutschland aktuell der größte europäische Lieferant in die USA, knapp vor Schweden, deren Mengen im Vergleich zum Vorjahr sogar gesunken sind. Trotzdem halten wir eine Erholung auf das genannte 2005er-Niveau noch in dieser Dekade für realistisch, weil Rundholz in den USA noch wesentlich teurer werden wird.

HK: Bestimmend für Exporteure ist aber der Schnittholzpreis. Ab welcher Schwelle erwarten Sie, dass Exporte aus Europa mit nordamerikanischer Ware mithalten werden können?
Taylor: Diesen Schwellenpreis würde ich bei 350 US-$/m3 (270 €/m3) frei Hafen im Osten der USA ansetzen. Aktuell liegen wir bei 270 US-$/m3 (209 €/m3). Daher werden bei Massensortimenten, wie Dimensional Lumber, nur Kontaktmengen geliefert. Europäisches Holz bewegt sich in Nischen, etwa bei 1 Zoll starker Ware.

HK: Noch schwieriger als in den USA ist die Entwicklung in Asien abzusehen. Welche Möglichkeiten gibt es dort für Exporteure?
Taylor: China ist der Massenmarkt. Japan kauft qualitätsorientiert. Die japanischen Importe sagen wir stabil voraus, selbst wenn es heuer aufgrund der höheren Konsumsteuer einen Rückgang gab. Die große Unbekannte ist China. Gegenwärtig sind die Exportmengen dorthin ebenfalls konstant. Der Immobiliensektor ist aber fragil. Ich will es nicht eine Blase nennen, aber er ist definitiv überbewertet – und das seit einiger Zeit. Die Frage ist, wie sich das weiterentwickelt. Den Prognosen westlicher Ökonomen traue ich in China überhaupt nicht. Die meisten schaffen es ja nicht einmal, die US-Baukonjunktur richtig vorauszusagen. Wie sollen sie dann China korrekt einschätzen? Als zentralistisch gesteuerte Volkswirtschaft kann das Land ganz anders agieren. Peking darf sich einen Kollaps der Bauwirtschaft nicht leisten und wird ihn auch kurz- und mittelfristig nicht zulassen. Es gibt natürlich die Gefahr einer chinesischen Immobilienblase, aber eher langfristig.

HK: Eine Reihe europäischer Unternehmen betreiben Exportbüros in China. Können die mit nordamerikanischen Konzernen konkurrieren?
Taylor: Ja, bei besseren Qualitäten. Nordamerika liefert billigstes Nadelholz nach China. Die Hälfte der Exportmengen gehen etwa in die Betonschalung, werden zwei bis drei Mal verwendet und dann weggeworfen oder verbrannt. Es gibt aber auch Weiterverarbeitung und den Möbelbau. Hier zählt Qualität und das wird den Chinesen immer mehr bewusst. Möbelbauer sind mit Schnittholz aus Russland – und daher mit metrischen Abmessungen – groß geworden. Die brauchen gute Qualitäten und kaufen daher zunehmend in Europa ein. Ausbeute wird ebenfalls immer wichtiger, insbesondere bei den steigenden Lohnkosten. Kurz gesagt: Chinesen haben gelernt, dass das billigste Holz nicht zwangsläufig das gewinnbringendste ist.

HK: Importieren Chinesen eher Nadelrundholz oder Nadelschnittholz?
Taylor: Grundsätzlich wird Rundholz bevorzugt. Das hat drei Gründe. Die Einschnittkosten sind mit rund 15 US-$/fm für frische Ware wesentlich geringer als im Westen. Die Ausbeute liegt mit rund 70 % höher, weil alles aufgetrennt und nichts zerspant wird. Vor allem brauchen lokale Sägewerke aber weniger auf Lager halten und können trotzdem schnell alle Schnittholzdimensionen liefern. Schnell heißt: Montag wird bestellt, spätestens Freitag wird ausgeliefert. Gleichzeitig ist alles sehr preissensibel. Ist günstige Schnittware erhältlich, wird eben diese anstatt des Rundholzes importiert. Gegenwärtig sind die Rundholzlager auf drei Monate voll, der Preis ist entsprechend gefallen.

HK: Sie erwähnten auf der Global Log and Lumber Conference 2012 Pläne für das weltgrößte Sägewerk in China mit 180 Bandsägen. Was ist daraus geworden?
Taylor: Gute Frage. Geplant war der Bau von 18 Hallen, in denen je zehn Bandsägen arbeiten sollten. Das letzte Mal bin ich im März vorbeigefahren. Da waren erst neun Hallen fertiggestellt und das Rundholz wurde vom Lager weg an andere, wesentlich einfachere Sägewerke verkauft. Offenbar war das Projekt wenig erfolgreich. In zwei Wochen fahren wir wieder mit einer Exkursion vorbei, dann werde ich ja nachschauen.

HK: Wird in China weiter in die Sägekapazität investiert?
Taylor: Ja – und zwar ganz massiv an der Küste. In Caofeidian, nahe von Tianjin, wurde ein Tiefwasserhafen errichtet, welcher nun seinen Betrieb aufnimmt. Er besitzt eine Rundholz-Begasungseinrichtung, erst die dritte im Land. Das zieht Holzverarbeiter an. Ein weiterer Tiefwasserhafen inklusive Begasung ist in Dalian, relativ weit im Norden geplant. Die dortigen Sägewerke waren stets von lokalen Quellen und russischem Rundholz abhängig, haben nun aber auch Zugang zu importierten Blochen aus Übersee. Das ist aufgrund der großflächigen Unterschutzstellung von Wäldern in Nordwestchina von Bedeutung.

HK: Mal abgesehen von China, welche Möglichkeiten bieten Korea und Indien?
Taylor: Korea ähnelt Japan in zahlreichen Parametern. Die Lohnkosten sind hoch, der Qualitätsanspruch ebenso. Die Mengen sind stabil, wenngleich auf wesentlich geringerem Level als Japan. Indien ist eine ganz andere Geschichte und erinnert mich an China vor zehn Jahren. Die Bevölkerung und insbesondere die Mittelklasse wachsen. Indien ist bislang aber eher ein Markt für Teakholz. Doch sie müssen zwangsläufig umdenken, weil Myanmar seinen Holzexport komplett eingestellt hat. Das könnte eine Möglichkeit für Nadelholzexporteure sein. Dafür braucht es aber auch noch Marketing, weil Nadelholz in Indien eher als minderwertig und wenig dauerhaft angesehen wird.

HK: Danke für das Gespräch.

Anm. d. Red.: Russ Taylor wird bei der International Softwood Conference von 16. bis 17. Oktober in Berlin vortragen und an einer Podiumsdiskussion teilnehmen.

Importrekord im Juli

Trotz volatiler Baukonjunktur steigen die Holzimporte Chinas. Im Vorjahr gab es bei Nadelrundholzeinfuhren (32,9 Mio. fm) ein Plus von 23 %. Von Januar bis Juli wurden (verglichen zur Vorjahresperiode) mit 22,2 Mio. fm erneut um 26 % mehr Nadelrundholz importiert. Der Nadelschnittholz stieg im Vorjahr um 19 % auf 16,9 Mio. m3 und in den ersten sieben Monaten heuer um weitere 12 % auf 10,2 Mio. m3. Nie kam in einem Monat mehr Nadelschnittholz in China an als im abgelaufenen Juli.

Buch-Tipp: The China Book

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China-Book 2015 © International Wood Markets Group

Wie sich Chinas Holzmärkte bis 2019 entwickeln, versucht „The China Book“ der International Wood Markets Group, Vancouver, zu beantworten. Die Studie in englischer Sprache stellt Chinas expandierende Holz verarbeitende Industrie dar und behandelt die sich abzeichnende Rohholzversorgungslücke. Trends bei Import- und Versorgungsmengen werden inklusive lokaler Plantagenwirtschaft analysiert. Einkaufs- und Einschnittkosten und die globale Wettbewerbsfähigkeit sind ebenfalls Teile des Kompendiums. Zudem gibt die International Wood Markets Group eine Fünf-Jahre-Prognose für Produktion, Importe und Exporte sowie Preise der wichtigsten Holzsortimente ab. Die Studie mit Prognosen bis 2019 ist ab dem I. Quartal 2015 erhältlich.

Produziert und herausgegeben von der International Wood Markets Group, Vancouver.