13999083083338.jpg

Direkt an der Donaupromenade zur Öffnung der Altstadt: Die woodbox an der zweiten Station der Roadshow in Pressburg © Marek Nagy; proholz Austria

Nachrichten von der Ressourcenwende

Ein Artikel von Georg Binder, proHolz Austria | 13.05.2014 - 08:09
13999083083338.jpg

Direkt an der Donaupromenade zur Öffnung der Altstadt: Die woodbox an der zweiten Station der Roadshow in Pressburg © Marek Nagy; proholz Austria

Bunt und frisch sehen sie aus, von Weitem erkennbar an der Autobahneinfahrt von Wien nach Pressburg gelegen: die Plattenbauten der Schlafstadt Petržalka. Mehr als die Hälfte der 300.000 Einwohner der slowakischen Hauptstadt leben dort. Es ist das Gebiet mit der höchsten Bevölkerungsdichte in der Slowakei. Billige Sandwichbauten stehen als Synonyme für eine hoffentlich vergangene Baukultur. Kürzlich wurden sie thermisch saniert – also mit Styropor verpackt, die Kunststofffenster erneuert und mit grellen Farben deutlich aufgefrischt.

Städtebaulicher Wettbewerb

13999083051424.jpg

Eröffnung des Städtedialogs zum Holzbau mit Hermann Wedenig, stv. Stadtbaudirektor Wien, Laszlo Döry, Vizepräsident der CEI-Bois, Ingrid Konrad, Hauptarchitektin der Stadt Pressburg, und Architekt Hermann Kaufmann (v. li.) © Marek Nagy; proholz Austria

Genau in dieser Plattensiedlung sieht Ingrid Konrad, als Hauptarchitektin der Stadt für die Stadtentwicklung verantwortlich, den dringenden Handlungsbedarf. „Der Turbokapitalismus hat uns in eine falsche Richtung getrieben. Der Weg, mit billigen Materialien rasch zu bauen, war eine Sackgasse, aus der die Stadt nicht so leicht he­rauskommt“, befand die Stadtplanerin bei der Eröffnung des Städtedialogs im neuen Rathaus. Zur besseren Anbindung an die städtische Infrastruktur und Aufwertung des Viertels plant die Stadt Pressburg eine städtebauliche Entwicklung an ihrer Nordachse. In Form eines Wettbewerbs will Pressburg Antworten für eine menschlichere Stadt mit neuen Materialien finden.

Erstmals Holz in Erwägung gezogen

Seit mehr als zwei Jahren versucht Konrad, Entwicklungsarbeit in Richtung einer smarten, grünen Stadt zu leisten. „Was die Stadt investiert, muss von besserer Qualität sein als die herkömmlich bewilligten Bauten“, meinte die Architektin. anlässlich der Pressekonferenz.
Wenn sie an neue Materialien denkt, dann auch an den Baustoff Holz. Im Rahmen des städtebaulichen Gesamtwettbewerbs ist ein erster Wettbewerb für einen größeren Holzbau für sie denkbar.

Zentrale holzfeindliche Bauordnung

„Ein Grundproblem ist die zentrale Bauordnung in der Slowakei, die Bauten über zwei Geschosse in Holzbauweise verbietet“, erklärte Konrad weiter. Sie müsse daher überlegen, in welcher Form die Stadt Pressburg eine führende Rolle im Holzbau einnehmen könne.
Der Erfahrungsaustausch mit der Stadt Wien helfe ihr zur ersten Annäherung für den Holzeinsatz in der Stadt.

Erschwerter Zugang

Als fünftreichste Region in Europa ist es für die Donaustadt nicht leicht, zu EU-Förderungen zu kommen. Die Stadt hat sich in einer Vereinbarung mit den Bürgermeistern der europäischen Hauptstädte verpflichtet, die CO2-Emissionen um 20 % bis 2020 zu verringern. Pressburg nimmt mit sechs ausgewählten Städten am EU-Programm „GU­GLE“ teil, einem Programm zur Entwicklung neuer Sanierungsmodelle für bestehende Gebäudesubstanzen (EU-GUGLE = European cities serving as Green Urban Gate towards Leadership in sustainable Energy).

Die wachsenden Zwillinge

Wien wird bis 2040 zwei Millionen Einwohner erreichen und das demografisch jüngste Bundesland Österreichs sein. „Wie können wir den Zuzug von 20.000 Menschen pro Jahr bewerkstelligen und sicherstellen, dass Wien eine lebenswerte Stadt bleibt?“, brachte Hermann Wedenig, stellvertretender Stadtbaudirektor Wien, die Herausforderungen auf den Punkt. Darüber hinaus werden die Zwillingsstädte Wien und Pressburg zu einer zentralen Region Ost dynamisch zusammenwachsen.
Dies bedeute massive Leistungen in technische und soziale Infrastruktur: Schul- und Wohnbau, Pflegeheime und Krankenhäuser, ohne sich über Gebühr zu verschulden. 70 % der geplanten Bauvorhaben in den Entwicklungszonen betreffen den Neubau, 20 % die Nachverdichtung bestehender Bausubstanz.

Holz im Wohnbau

In der neueren Geschichte begann Wien Mitte der 1990er-Jahre, in Holz zu bauen. „Kindergärten und Schulen eingeschossig, mehr war rechtlich nicht möglich“, berichtete Wedenig.
Ab 2001, mit der neuen Bauordnung und dann mit der Novelle 2007/08, konnten Wettbewerbe zum sozialen, nachhaltigen mehrgeschossigen Wohnbau in Holz in der Stadt veranstaltet werden. Gebäude bis zu sieben Geschossen sind in Holz möglich, wenn über vier Geschosse die Nachweise des Brandwiderstands von 90 Minuten und der Nichtbrennbarkeit der Holzstruktur geführt werden können.

Ruhig schlafen können

13999083067148.jpg

Im Brennpunkt - wie brennt Holz woanders? Irmgard Eder, Kompetenzstelle Brandschutz Wien, beim Städtedialog Holzbau Wien-Pressburg © Marek Nagy; proholz Austria

„Der Holzbau möchte in Wien immer mehr, obwohl die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen im Brandschutz von der Holzbranche wenig ausgenutzt werden“, warf Irmgard Eder, führende Wiener Brandschutzbeamtin, in die Diskussion ein. „Machen wir mehr Erfahrungen mit den bestehenden Bestimmungen, dann können wir uns nach der Decke strecken“, lautet der Wunsch der Beamtin.
Die Brandschutzvorschriften in Wien sind aus ihrer Sicht so baustoffneutral wie möglich. Holz ist einerseits ein brennbarer Baustoff, der definiert abbrennt. Andererseits brennt Holz eben im Brandfall mit und erhöht die Brandlast. „Beide, nämlich Bauwerber und Behörde, sollen ruhig schlafen können“, definierte die Expertin ihre Vorstellung des Schutzziels.

Brandverhalten und Luftlinie

„Warum brennt Holz im 60 km Luftlinie entfernten Wien anders als in Pressburg?“ Die provokante Frage von Jaroslav Sandanus, Professor am Institut für Holz- und Stahlbau der TU Pressburg, fand keine Expertenantwort. Als Ressource wäre Holz ausreichend in der Slowakei vorhanden.
Die Holzreserven im Wald haben von 200 auf 250 Mio. m³ in den vergangenen 90 Jahren zugenommen. 40 % des Waldes sind in Staatsbesitz – die Slowakei hätte die Ressourcenwende zum Holz somit in der eigenen Hand.

Nach Energie- kommt Ressourcenwende

1399908303270.jpg

Kurator Architekt Hermann Kaufmann im Dialog mit der Hauptarchitektin der Stadt Pressburg, Ingrid Konrad, in der woodbox © Marek Nagy; proholz Austria

„Wir selbst verwenden heute oft Materialien, bei denen uns aus ökologischer Sicht nicht ganz wohl ist. Wir setzten diese ein, weil sie eben da sind. Ich bin überzeugt, dass nach der Energie- die Ressourcenwende kommt“, legte Hermann Kaufmann, Architekt und Professor für Holzbaugestaltung an der TU München, sein Credo fest. Holz werde in dieser Frage eine zentrale Rolle zukommen, zeigte sich Kaufmann überzeugt: „Nur wir Hölzerne, sind dafür nur noch nicht ganz gerüstet.“ Für die Jugend bedeute dies eine einzigartige Chance, in das neue Bauen mit Holz hineinzuwachsen.

Ersparnisrechnung

Während 1 t Stahl bei der Produktion bis zu 4 t CO2 emittiert, speichert 0,5 t Holz beim Wachsen 1 t CO2. Die Klimaentlastung durch Holz liege also klar auf der Hand, rechnete Laszlo Döry, CEI-Bois Vizepräsident, vor. Ein zweiter Wald aus Holzhäusern wäre aus diesem Grund die logische Konsequenz für ein zukunftsorientiertes Handeln der Politik in der Stadt.

Erfahrungsberichte machen Mut

Wie das geht, zeigten die Architekten Clemens Kirsch, Werner Nussmüller und Martin Praschl beim Architekturkongress im sehr gut besuchten Spiegelsaal des alten Rathauses. Die dargestellten Bauaufgaben umfassten einen mit Modulen vorgefertigten Kindergarten, die Sanierung einer Wohnanlage mit Holzfertigteilen, eine Wohnverbundsiedlung mit sogenannten „Net Zero Energy Buildings“ (Plusenergieverbund) und einen dreigeschossigen Wohnbau mit Holz.