Mit dem Geld der Genussrechte …

Ein Artikel von Hannes Plackner | 13.01.2014 - 16:41
Die Holzindustrie Torgau (HIT), Torgau/DE, hat mitten in einem umfangreichen Investitionsprojekt erstmals einen Jahresabschluss veröffentlicht. Auf der Website des Hauptgläubigers Prokon, Itzehoe/DE, sind die Zahlen einzusehen.
Der norddeutsche Bioenergiekonzern hat 2009 die Verbindlichkeiten von HIT übernommen und berücksichtigt den Holzverarbeiter als verbundenes Unternehmen im Konzern-Konsolidierungskreis. Das ist in zweierlei Hinsicht von Interesse. In Torgau wird gegenwärtig das umfangreichste Investitionsprojekt eines mitteleuropäischen Sägewerks der vergangenen Jahre durchgezogen. 2014 sollen noch eine weitere Bandsägenlinie und ein CT-Scanner für Rundholz kommen.
Gleichzeitig bleibt Prokon aufgrund seiner diffusen Finanzstruktur in den Nachrichten. Per Genussrechtsanteile wurden 1,37 Mrd. € Cash eingesammelt und doch ist fraglich, ob der Konzern ein positives Eigenkapital aufweist. Nun scheint sogar eine Insolvenz möglich (s. Link 1). Wie kam es jedoch zu der einzigartigen Konstellation?

Retter in der Not

Unter dem Eindruck der Wirtschaftskrise suchte HIT 2009 dringend einen Investor, „um den Unternehmensbetrieb vor dem Zusammenbruch zu retten“. Prokon war Retter in der Not. Deren Einstieg als Finanzinvestor ermöglichte zunächst einen Schuldenschnitt bei den Gläubigerbanken. Die Itzehoer übernahmen die übrigen Verbindlichkeiten von HIT. Anschließend verzichtete Prokon auf „nicht werthaltigen Teil der übernommenen Bankschulden“. Ende 2012 war die Sanierung abgeschlossen. In welchem Ausmaß die Banken beziehungsweise Prokon auf Forderungen gegenüber HIT verzichteten, ist nicht bekannt.
HIT begann, seine Strategie mit frischem Geld von Prokon wieder zu verfolgen. Man wollte Deutschlands größter Palettenhersteller mit integriertem Standort werden. Rechtsstreitigkeiten bezüglich eines Bebauungsplans für ein Heizkraftwerk verzögerten aber das Projekt. Statt 2012 wird 2014 mit Fertigstellung aller Investitionsschritte gerechnet. HIT sieht die Schuld dafür beim Landkreis Nordsachsen und hat im Februar 2013 eine Staatshaftungsklage eingereicht.

Bis zu 25 Mio. /J Zinsdienst

Im Dezember 2012 weitete Prokon seine Kreditlinien für HIT auf 250 Mio. € aus. Davon waren per 31. Dezember 2012 157 Mio. € ausgeschöpft. HIT verfügte zu diesem Zeitpunkt also noch über ungenützte 93 Mio. €. In Anspruch genommene, kurzfristige Darlehen wurden in langfristige mit einer Laufzeit bis Dezember 2018 umgewandelt, was die Liquidität von HIT sicherstellte.
Das Kapital ist aber teuer. Prokon verlangt eine Verzinsung von 10 % p. a., was notwendig ist, weil Prokon seinen Genussrechtsinhabern seinerseits 8 % p. a. versprochen hat. Diesen Zinsdienst wird HIT erst nach Abschluss der Investitionen leisten können. Ab 2014 rechnet HIT mit einem EBITDA (Ergebnis vor Zinsen und Abschreibungen) von 35,8 bis 43,8 Mio. €.
Bei voll ausgereizten Kreditlinien müsste HIT 25 Mio. €/J nach Itzehoe überweisen. 2012 wurden aber erst 8,99 Mio. € an verbundene Unternehmen (=Prokon) gezahlt.
Aufgrund der Investitionstätigkeit war HITs Cashflow der vergangenen Jahre deutlich negativ. 2011: –16,3 Mio. €, 2012: –7,06 Mio. €. 2011 wurde aber noch ein Überschuss von 5,85 Mio. € erwirtschaftet. Das drehte sich 2012 in einen Jahresfehlbetrag von 6,82 Mio. €. Das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (EGT) von HIT lag 2012 bei –6,67 Mio. € (2011: +6,14 Mio. €).

Nur Paletten oder Strom

2012 wurden 8,75 Millionen IPPC-behandelte Paletten erzeugt, davon 5,69 Millionen Europaletten. 2014 sollen aber schon 18 Millionen Paletten das Werk in Torgau verlassen. Plan ist, das komplette Rohholzvolumen zu veredeln. Schnittholz geht direkt in die Paletten. Späne und Hackgut werden in Torgau zu Palettenklötzen verarbeitet und dann verbaut. Die Rinde wird im Heizkraftwerk verstromt beziehungsweise als Prozesswärme genutzt. 2012 schnitt HIT 603.000 fm ein.
Von 2011 bis 2013 investiert HIT am Standort Torgau dafür 136 Mio. € (s. Tabelle). Ende 2012 waren davon 94,3 Mio. € ausgegeben. 2013 wurde das Projekt abgeschlossen. Heuer kann nun endlich die „geordnete Produktion in allen Wertschöpfungsstufen mit den damit verbundenen Skalen- und Synergieeffekten“ beginnen. Ohne diese Effekte „ist die Gesellschaft nicht in der Lage, die erheblichen Finanzierungskosten für das Investitionsvorhaben, die aktuell bei 10% der Kreditsumme liegen, aus eigener Kraft zu erwirtschaften“.
Investitionen der Holzindustrie Torgau 2011 bis 2013
InvestitionKosten (Mio. €)
Sägelinien26,2
Biomasse-Heizkraftwerk26
Bauliche Anlagen24
Klotzfertigungsanlagen13
Trocknungsanlagen10
Transport/Logistik9
Palettenfertigung8
Elektroanlagen5
Brikettfertigung4,2
Beschaffung3,2
Fördertechnik/Umschlag2
Fräswerk/-linie1
Grundstück1
Sonstiges3
Gesamt135,6

Tochter in Rumänien

HIT ist nicht nur in Deutschland aktiv, sondern auch 100 %-Eigentümerin der SC Prokon HIT Timber, Sibiu/RO. Deren Aufgaben sind der Kauf und die Bewirtschaftung von Waldflächen. Die Gesellschaft wurde 2011 erworben und soll ab 2014 unabhängig von der HIT OHG wirtschaften können.
Ende 2012 beschäftigte HIT an vier Standorten 579 Mitarbeiter: 442 in Torgau, 103 in Limbach, 24 im Sägewerk Schleusingen, zehn in Dahlem. Gegenwärtig liegt der innerbetriebliche Mindestlohn bei 7 €/h.

2014 war weitere Linie geplant

Gegenwärtig arbeiten in Torgau drei Sägelinien. Diese sollen 2014 um eine weitere EWD-Quattrobandsägenanlage ergänzt. Zudem werde mit einem CT.Log-Scanner von Microtec erstmals in Deutschland ein Rundholz-Computertomograf installiert. Dem Vernehmen nach wurde der Auftrag für diese Anlagen im Oktober 2013 erteilt. Seitens des Unternehmens wollte man das nicht kommentieren. Welche Auswirkungen die drohende Prokon-Pleite darauf hat, ist unbekannt.
Anm: Alle Zitate stammen aus dem Jahresabschluss der Holzindustrie Torgau OHG per 31. Dezember 2012.