MM-Neustart

Ein Artikel von Gerd Ebner | 06.09.2013 - 08:17
Richard Stralz hat derzeit wohl den härtesten Managementposten in der europäischen Holzindustrie: CEO bei der Mayr-Melnhof Holz AG. Es gilt, ein schweres Erbe anzutreten:
    –55 Mio. € EGT 201287 Mio. € Bilanzverlust297 Mio. € VerbindlichkeitenReduktion des Eigenkapitals von 88 Mio. € 2011 auf nur noch 33 Mio. € im Vorjahr

Finanzierung gesichert

Um die Insolvenz abzuwenden, musste heuer vonseiten des Mehrheitseigentümers das Kapital um 50 Mio. € aufgestockt werden. Zusätzlich wurden 45 Mio. € an Mezzaninkapital (Fremdkapital) in Genussrechte (Eigenkapital) umgewandelt und so wurde eine Überschuldung abgewendet. „Trotz aller Schwierigkeiten kamen wir allen Verpflichtungen gegenüber den Banken nach. Daher ist jetzt auch die Finanzierung durch die Hausbanken bis Ende 2015 gesichert“, betont Stralz mit Nachdruck. „Ich habe keinen Zweifel, dass wir weiterhin sämtliche Vorgaben erfüllen werden und den Eigentümer nie mehr um Geld bitten müssen. Bereits heuer streben wir eine schwarze Null im Konzern an, 2014 sollten wir wieder positiv sein.“
Bewerkstelligen sollen das die verbliebenen Mitarbeiter sowie das Team, das neben Stralz seit dem Vorjahr sukzessive ins Unternehmen geholt wurde: Aufsichtsratsvorsitzender Rainer Zellner, CFO Thomas Tschol und Vorstand Dr. Ulla Reisch (s. Link 1). Tschol ist als knallharter Sanierer bekannt. Reisch zählt zu Österreichs renommiertesten Insolvenzrechtlern.
Stralz wurde von Zellner nach gemeinsamer Vergangenheit beim größten österreichischen Gummiproduzenten Semperit engagiert. Er startete am 1. Mai. Zehn Tage später musste er die Bilanz unterschreiben, aus der die einleitenden Zahlen stammen (s. Link 2).
Nach allgemeiner Einschätzung wurden in der 2012er-Bilanz alle „Leichen aus dem Keller geholt“. „Es war Zeit, überall hinzuschauen und alles realistisch zu bewerten“, urteilt Stralz.

Heuer Weiterverarbeitung mit Fehlstart

Die schwarze Null ist 2013 nicht an allen Standorten und allen Geschäftsbereichen von Mayr-Melnhof Holz möglich. „2012 war ein Jahr, wo es in der Weiterverarbeitung besser ging als im Sägewerk – 2013 ist es umgekehrt“, lautet seine Einschätzung. Die Weiterverarbeitung leide heuer darunter, dass man im I. und II. Quartal witterungsbedingt auf einen geringeren Mengenabsatz kam. Beim Schnittholz konnte hingegen eine preisliche Verbesserung erzielt werden. Gesamt gilt für Mayr-Melnhof: Der Umsatz wird 2013 um 2 bis 3 % steigen.

Viele Beweggründe für Entscheidungen

Stralz war bisher für technische Gummiprodukte verantwortlich. Die Holzbranche hat er in den ersten vier Monaten so erlebt, dass es „hier sehr menschelt“. Durch die Blume gesprochen, heißt das wohl: Nicht alle Entscheidungen beruhen alleine auf betriebswirtschaftlichen Überlegungen.
Über seine Vorgänger will er sich kein direktes Urteil erlauben. „Man muss die getroffenen Entscheidungen im Kontext der jeweiligen Zeit beurteilen. Bis vor Kurzem gab es immer wieder goldene Zeiten. Was schlimmstenfalls passieren konnte, war ein geringeres Wachstum. In der Krise können mehrere Fehler aber tödlich sein“, findet Stralz.

Dauerbrenner Verfügbarkeit

Eine Besonderheit muss Stralz aber hervorheben: „Ich kenne keine Branche, wo die Rohstoffverfügbarkeit so dauerhaft ein Problem darstellt. Da ist vieles schiefgelaufen.“
Da jetzt die „goldenen Zeiten“ definitiv vorbei sind, setzt Stralz Kostensenkungen und Effizienzsteigerungsmaßnahmen durch. „Ein Gutes hat eine katastrophale Bilanz: Verbesserungspotenziale gibt es überall.“ Das beginnt beim Streichen des kostenlosen Kaffees für die Mitarbeiter und geht hin bis zu Personalabbau. Letzteren startete Stralz in der Zentrale in Leoben, um zu zeigen, dass es kein Tabu mehr gibt. 2012 verließen 100 Mitarbeiter das Unternehmen. 1700 beschäftigt man derzeit.
„Das Restrukturierungsprogramm beruht darauf, dass alle Standorte bei uns bleiben“, betont Stralz mehrmals. Aber auch ein Verkauf von Teilen wäre denkbar. „Wenn jemand kommt und einen tollen Preis bietet, können wir über alles reden“, meint Stralz. Unmittelbar steht aber nichts bevor.

Frankenmarkt positiv

Aufgrund der Rohstoffsituation wird Frankenmarkt immer als ein MM-Problemstandort genannt. Der Unternehmensteil wurde im Vorjahr in der Bilanz wertberichtigt. „Heuer werden wir dort einschichtig 330.000 fm einschneiden. Mehr Holz bekommt man in Oberösterreich nicht. Da wir alle notwendigen Schritte gesetzt haben, werden wir heuer Gewinn machen.“ Ähnlich bewertet er Richen: „Die Sanierungsmaßnahmen haben gegriffen – wir sind positiv.“

Russland sägt voll – erstmals

In Efimovsky wird man 2013 „erstmals voll schneiden“, dreischichtig an 345 Produktionstagen. Ein nun angeangelegtes Nasslager soll die ganzjährige Versorgung sicherstellen. Damit wird sich auch Efimovsky „der schwarzen Null nähern. Ich muss dem Team vor Ort danken, welches das ermöglichte. Wir werden noch zeigen, dass es betriebswirtschaftlich möglich ist, in Russland ein Sägewerk positiv zu betreiben.“

Pelletierung muss warten

Über Plus oder Minus in Efimovsky entscheidet maßgeblich die Rubel-Euro-Relation mit. In sechs Monaten verlor der Rubel um 10 % an Wert. Die Randlage des Standortes in Russland würde eine Pelletierung zur Restholzverwertung erfordern. Doch für eine solche Großinvestition fehlt noch das Geld.
Auch das Vorhaben, eine weitere Brettsperrholz-Produktion an einem noch nicht festgelegten Standort zu bauen, befindet sich weiter in der Warteschleife.

Investitionen, die sich rechnen

Heuer wurde in die Trocknungskapazität in Efimovsky und Paskov investiert. Auch bei der Pelletierung in Leoben wurde „mit geringen Mitteln viel erreicht. Wir prüfen jeden Euro vier Mal, bevor er ausgegeben wird. Nur, was schnellen Return verspricht, wird umgesetzt“.

Ab Waldstraße entscheidet es sich

Stralzs Sicht auf den Sägewerksbetrieb: „Im Einkauf hat man kaum Einfluss auf den Rundholzpreis. Aber ab der Waldstraße liegt das Schicksal bei jedem selber“, ist er überzeugt. Das fängt bei der Logistik an. „Da sind 2 bis 3 €/fm Einsparung möglich.“ Im Sägewerk will er noch ein bis zwei Ausbeuteprozente finden. „Gewisse Schnittbilder fahren wir nicht mehr. Da passt die Ausbeute nicht oder es fallen Sortimente an, die der Verkauf nicht benötigt. Die einfache Frage: ,Was bleibt netto-netto über?’, ist der einzige Maßstab. Alles andere zählt nicht mehr. Schnittbilder bedürfen ab sofort der Freigabe des Technik- und des Verkaufsvorstandes.“ So seien gewisse Sortimente aussortiert worden.
Stralzs nächste Frage ist: „Wie weit fährt ein Produkt?“ Die Antwort führte zu Verschiebungen im MM-Verkaufsgebiet. So wird Italien an Bedeutung weiter abnehmen, denn vieles rechnet sich nicht mehr. „Wenn wir 40, 50 €/m³ Fracht haben, wird das ein näherer Mitbewerber günstiger liefern.“
Der Verkauf wurde gebündelt und liegt in den Händen von dreien: Josef Steiner verantwortet weltweit den Schnittholzverkauf. Christoph Zimmermann startet mit 9. September und ist für die Weiterverarbeitungsprodukte verantwortlich. Mit 250.000 m³ BSH, 50.000 m³ BSP und Ingenieurholzbau-Projekten hat er mehr im Portfolio als irgendjemand sonst in Europa. Franz Schwarzauger verkauft 120.000 t/J Pellets. Alle drei berichten direkt an Stralz.