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Beurteilungsstation: Die vom Vakuumkran abgestapelte Rohware geht entweder direkt zum Bediener oder wird auf einem Parkdeck gepuffert © Johannes Plackner

Listig in die neuen Zeiten

Ein Artikel von Hannes Plackner (für Timber-Online bearbeitet) | 21.03.2014 - 17:41
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Beurteilungsstation: Die vom Vakuumkran abgestapelte Rohware geht entweder direkt zum Bediener oder wird auf einem Parkdeck gepuffert © Johannes Plackner

KVH hat sich mit seinem guten Preis-Leistungs-Verhältnis einen Fixplatz auf den Baustellen erarbeitet. Die Hölzer kommen dabei immer öfter kommissioniert zu den Zimmerleuten. Das heißt, dass sie der Hersteller genau nach „Bauholzliste“ erzeugt. Wenn der Dachstuhl aus drei Pfetten und 44 Sparren besteht, kommt genau diese Menge in der richtigen Länge am passenden Tag zum Bauplatz.
Die Holzwerke Bullinger haben sich mit dieser „Listen-KVH“-Fertigung einen guten Namen gemacht. Da der Listenanteil weiter steigen wird, investierte der Baden-Württemberger Betrieb im Vorjahr in eine flexible Produktion. Für die Mechanisierung wurde Leiße, Winterberg/DE, engagiert. Der Sauerländer Maschinenbauer schaffte es, hohe Leistung mit ebensolcher Flexibilität zu verbinden. Dabei stellte der Platz eine besondere Herausforderung dar. Baurechtliche Auflagen verhinderten eine Betriebserweiterung. Keilzinkung, Mechanisierung und Kommissionierung mussten daher in einer ehemaligen Lagerhalle mit 20 mal 65 m untergebracht werden.

Aufgabe und Abnahme

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Alles nach Liste: Der Bediener gibt das O. K. für den nächsten Auftrag © Johannes Plackner

Dass es sich hier um eine Losgröße 1-Produktion handelt, ist schon am Beginn der Anlage erkennbar. Denn die Stapler geben dort nicht nur Schnittholzpakete auf, sondern holen sich auch halbe Stapel zurück. Ein zweigeschossiges System ermöglicht es, dass Befüllung und Entladung unabhängig von der Produktion laufen. „Wenn das letzte Holz durch ist, kann der Bediener schon auf das neue Paket zugreifen“, spezifiziert Franz-Josef Körner, der das Projekt bei Leiße verantwortete. „Im Schnitt wechseln wir die Dimension pro Schicht 20 Mal“, ergänzt Geschäftsführer Hansjörg Bullinger beim Werksrundgang. Während er dies sagt, wird gerade die stärkste Rohware entstapelt, die Bullinger verarbeitet: 16 mal 28 cm. „Die geht nach Norddeutschland. Dort ist das starke KVH nach wie vor beliebt. Im Süden werden bei solchen Dimensionen eher Duo-/Triobalken verwendet“, erklärt der Geschäftsführer.
Entladen wird die Rohware per Vakuumheber. Mit einer Digitalkamera erkennt dieser, ob die Hölzer mit Stapellatten getrennt sind. Wenn ja, werden die automatisch abgestreift. Der Automatikkran legt je eine Rohwarelage entweder direkt auf den Querförderer, der sie zum Bediener bringt, oder auf eine Direktzuführung, wo Kleinmengen und Einzelstiele eingetaktet werden können.
Die Beurteilung der Hölzer und das Anzeichnen der Fehler per Fluoreszenzkreide obliegen jenem Bediener, der auch die ganze Keilzinkung überwacht. Der geschulte Blick unterscheidet normgemäß fest verwachsene Äste von jenen Stellen, die ausgekappt gehören. Das übernimmt eine Opticut 450 XL von Grecon Dimter Süd. Von der Kappsäge zur Keilzinkung geht es per Steilförderer (hoch) und nach einem Querförderer zum Paternoster (runter). Nun übernimmt die Keilzinkung von Grecon, welche auf der folgenden Doppelseite ausführlich erklärt wird.
Das Ablängen der Endloslamelle muss in den wenigen Sekunden geschehen, in denen das Holz während des Fräsens und Verpressens still liegt. Toleranzen gibt es hier kaum. Bei Listen-KVH wird millimetergenau gearbeitet. Um das zu erreichen, wird ein Taster entsprechend der Vorgabe vom Leitrechner (Timbertec, Eutin/DE) vorpositioniert. Der pirscht sich von hinten an die Stirnseite der Endloslamelle an und bestimmt deren exakte Position. So erhalten die bis zu 13,5 m langen KVH-Stiele ihre finale Länge. Gekappte Rohware, die für die gerade produzierte KVH-Charge nicht mehr notwendig ist, wird zu 5 m langen Stangen verleimt und geht zurück ins Rohwarenlager. Herkömmliche KVH-Stangenproduzenten haben hier ihr Ende. Nicht so bei Bullinger – jetzt beginnt erst die logistische Herausforderung, aus den Chargen einzelne KVH-Listen herauszusortieren.

Etagenlager mit fünf und zwei Lagen

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Lamellenlogistik: Während ein Stapel abgearbeitet wird, gibt der Staplerfahrer den nächsten auf oder nimmt halb aufgebrauchte Pakete wieder mit © Johannes Plackner

Das frisch verleimte KVH kommt zum Aushärten in ein Etagenlager. Auf fünf Querförderern können hier mehrere Sortimente gepuffert werden. Neben KVH erzeugt Bullinger auf der Linie auf Duo- und Triobalken. Die Lamellen gehen bis hier denselben Weg wie das KVH. Am Ende des Etagenlagers trennt sich aber der Pfad. Per Paternoster werden die Hölzer auf eine von zwei Zuführungen zur Hobelanlage (Ledinek, Maribor/SI) verfrachtet.
Die bestehende Duo- und Triobalkenpresse hat Leiße in das Maschinenensemble integriert. Die Beschickung geschieht nun halbautomatisch. Das gehobelte KVH fließt neben der Balkenpresse vorbei in Richtung Kommissionierung – dem eigentlichen Herzstück eine Listenproduktion. Denn hier entstehen aus einzelnen Stücken fertige Pakete. Bevor das geschieht, wird jedes Stück aus Bullingers Leimholzproduktion auf der Stirnseite mit einem Etikett versehen. Immerhin müssen die Hölzer nicht nur in der Werkshalle, sondern auch auf der Baustelle zugeordnet werden können.
Um die baustellenfertigen Pakete zu formen, setzt Leiße zwei Systeme ein.
Kleinmengen werden per vollautomatischem Vakuumkran zugeteilt. Nach der Etikettierung bringt ein Querförderer solche Elemente nach links. Der Kran saugt an und hebt sie auf ein Kommissionierdeck. Dort werden die Hölzer zwischengelagert, bis alle Bestandteile des Pakets vollständig vorhanden sind. Um Platz zu sparen, können die Hölzer gestapelt werden – unter der Voraussetzung, dass unten die schweren und oben die leichteren Stücke landen.
Trotz Listenbestellung gibt es immer wieder Kommissionen mit Dutzenden bis Hunderten gleichen Dimensionen – etwa Pfosten im Holzrahmenbau. Solche Elemente kann Bullinger ebenfalls effizient auf der Leiße-Linie erzeugen. Beim Stapeln gehen sie aber per Querförderer auf eine klassische Paketierung.
Oft werden beide Formmethoden kombiniert. Der flexible Vakuumkran hebt die Pakete, wie gewünscht, zusammen. Transport und Stapelrestriktionen werden selbstverständlich eingehalten. Diese logistischen Aufgaben steuert der Leitrechner von Timbertec.
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Projektteam: Geschäftsführer Hansjörg Bullinger, Franz-Josef Körner (Prokurist Leiße), Bullinger-Werksleiter Thomas Benz und Thomas Kohlmeyer (Grecon-Verkaufsleiter Konstruktionsholz) (v. li.) © Johannes Plackner

Was zählt, ist „Ab-Werk-Preis“

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Etagenlager: In fünf Stockwerken härtet das frisch verklebte Leimholz aus © Johannes Plackner

Fertig zusammengestellte Pakete fahren per „Shuttle“ zur Folierung. Zu Beginn wird die weiße Kunststofffolie vorsichtig um die Hölzer gewickelt. Dann geht die Drehzahl nach oben und immer schneller wird das Paket eingehüllt. Während der Werksführung wurde 13 m-Douglasien-KVH foliert. Als das die Folie zur Paketmitte gelangte, verlangsamte sich der Vorschub, nicht aber die Wickelgeschwindigkeit. „So wird die Paketmitte dichter gewickelt. Das verhindert Beschädigungen durch den Stapler“, erläuterte Bullinger.
Das hat sich die hochwertige Ware auch verdient. Neue Keilzinkung, blitzsaubere Etiketten und die Folierung unterstreichen die Qualität des KVH und der Duo-/Triobalken aus Abtsgmünd. Die Produktion des Standortes steigt durch die weitere Linie nur leicht. „Für uns zählt nicht das Volumen, sondern der Ab-Werks-Preis“, erklärt Bullinger seine Strategie. Entsprechend wurde der Ausstoß nur moderat erhöht. Da an bestehenden Anlagen Schichten rausgenommen wurden, erhöht sich die Produktion um nur 5000 m3/J.
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Kappsäge von Leiße längt die Endloslamelle innerhalb von Sekunden millimetergenau ab © Johannes Plackner

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Der Vakuumheber der abschließenden Kommissionierung saugt KVH an © Johannes Plackner

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Typisches Paket bei Bullinger: eine baustellengerechte Ladung von sauber etikettiertem KVH © Johannes Plackner

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Screenshot der Timbertec-Bedienoberfläche für den Kommissionierbereich bei Bullinger Holz © Johannes Plackner

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Premierenmaschine: Die erste Folierung von Leiße umwickelt ein Douglasien-KVH-Paket © Johannes Plackner