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Leimholz-Produktions-Größe 2002-2012 © Holzkurier

Krise hausgemacht

Ein Artikel von Gerd Ebner | 24.04.2014 - 08:35
Der Autor hatte am 11. April am HFA-Leimholzsymposium in Wien die anspruchsvolle Aufgabe über die „Krise der Holzwirtschaft“ zu referieren. Schwierig wurde es insbesondere beim Untertitel: „Hausgemacht oder durch die Weltwirtschaftskrise verursacht“. Ein Ergebnis der Marktrecherchen zu diesem Thema lasen Sie möglicherweise in der Vorwoche im Leitartikel: Die Top-Holzindustrien Deutschlands bilanzieren seit 2008 fast durchgehend in den roten Zahlen. Nicht viel anders dürfte es in Österreich aussehen. Die Lage ist also sehr ernst.

Es gab ein „Goldenes Zeitalter“

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Leimholzproduktionsentwicklung in Österreich und Deutschland von 2002 bis 2013 © Holzkurier

Alles fing so gut an: Von 1990 bis 2007 herrschte in Mitteleuropa für viele Unternehmensgrößen so etwas wie das „Goldene Zeitalter“. 1990 wurde gewählt, weil der damalige Windwurf Wiebke eines symbolisierte: ausreichend Rohstoff. Hinzu kamen Rundholzimport-Möglichkeiten aus Ländern, die später ebenfalls starke Holzindustrien aufbauten (s. Link). Das Goldene Zeitalter zeichnet weiters aus:
    genug Absatzmöglichkeiten zu guten Erlösenbeste Finanzierungsmöglichkeiten
Diese 17 Jahre waren auch geprägt von enormen technologischen Fortschritten (Profiliertechnik, Hochfrequenz, Leimtechnik, Keilzinkung, …). Alle neuen Anlagen waren weitaus leistungsstärker als die Altanlagen. Außerdem wurden durch Optimierungen bestehende Produktionen jedes Jahr um ein paar Prozent hochgedreht. Das summierte sich kapazitätsmäßig ebenfalls gewaltig.

Pionierleistungen

Unternehmerisches Gespür half den mitteleuropäischen Holzindustrien, diese günstigen Umstände zu nutzen. Als Meilensteine seien angeführt:
    Japanmarkterschließung durch die Holzindustrie SchweighoferUS-Marktaufbereitung durch die Holzindustrie Schweighofer und die Klausner-GruppeBSH-Exporterfolg durch die Holzindustrie Mosser in Italienindustrieller BSP-Produktionsbeginn von KLH in Katsch/Mur
Für das Umfeld gab es zwei prosperierende Betriebsgrößen: kleine, wendige Unternehmen (in „Nischen“) und beständig wachsende Großunternehmen („Wettlauf zur Größe“). Die dazwischen liegende Mittelschicht war nicht so flexibel wie die Kleinen und sie konnten die Fixkostendegres-
sion der Großbetriebe nicht nutzen. Sie war aber mit ihren Produkten teilweise am selben Markt vertreten.
2008 und 2009 ging es dann für alle schlagartig bergab: „Markt-Grundregeln“ galten plötzlich nicht mehr.?„Wir exportieren Schalungsträger in 60 Länder. Dass alle Märkte gleichzeitig weniger nachfragen, ist eigentlich undenkbar. Trotzdem passiert es heuer“, musste der Holzindustrielle Michael Pfeifer im April 2009 erfahren.
In Italien blieb kein Stein auf dem anderen: Lag der Umsatz des Holzmarktes 2007 noch bei 42,5 Mrd. €, so brach er bis heuer auf geschätzte 27,3 Mrd. € ein. Der Binnenbedarf gab gar um 46 % auf nur noch prognostizierte 18,4 Mrd. € 2014 nach.
Das blieb insbesondere für die österreichischen Sägewerke nicht ohne Folgen. Lieferten diese 2007 noch 4,5 Mio. m3 nach Italien, so waren es im Vorjahr nur noch 2,36 Mio. m3. Der Exportanteil Italiens bei Nadelschnittholz liegt also unter 50 % – 66 % waren früher keine Seltenheit.

„Hausgemachte“ Gründe für Krise

    Kapazitätsausbau war makroökonomisch ein Fehlereinseitige Marktausrichtung (Österreich: auf Italien)mangelnde Disziplin im Verkauf?zu hohen Rundholzpreis bezahltzu geringe Marketingbudgetskaum/kein Lobbying – EU (CO2-Agenden)klare Strategien fehlen („Quartalsdenken dominiert“)fehlende Standardisierung (Ausnahme ev. BSP)

Starkes Wachstum bis zur Krise

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Leimholz-Produktions-Größe 2002-2012 © Holzkurier

Bis zur Wirtschaftskrise stieg die Produktion von BSH und KVH in Deutschland und Österreich gewaltig (s. Grafik). Laut Holzkurier-Erhebung wurden 2002 rund 1,3 Mio. m3 BSH erzeugt, 2008 waren es dann 2,7 Mio. m3. Ähnlich ist die Situation bei KVH: Von rund 880.000 m3/J kletterte die Produktion im selben Zeitraum auf 2,24 Mio. m3/J. Seither verflacht sich der Produktionsanstieg – trotz neuer Produzenten.
Deutschland ist mittlerweile das Land der KVH-Hersteller, Österreich das der BSH-Hersteller. Die Betriebsgrößen in beiden Ländern sind völlig unterschiedlich. Der durchschnittliche österreichische BSH-Hersteller erzeugte 2003 40.000 m3/J. 2012 waren es schon 70.000 m3/J. In Deutschland wurden 2003 27.000 m3 pro Betrieb erzeugt, 2012 dann 40.000 m3.
Deutschland beherbergt die großen KVH-Erzeuger: Die mittlere Betriebsgröße lag 2012 bei 52.000 m3. In Österreich wurden pro Unternehmen rund 30.000 m3 hergestellt.

Krise hausgemacht

Als Vorbereitung auf das Referat am Leimholz-Symposium befragte der Autor am Telefon Brancheninsider: Ist die schwierige wirtschaftliche Lage hausgemacht, oder durch die Weltwirtschaftskrise bedingt? Die Antworten lauteten unisono: „Wir sind selber schuld.“
An erster Stelle steht bei fast allen eben der zu rasche Produktionszuwachs. Der Kapazitätsausbau war makroökonomisch ein Fehler. Für ein Einzelunternehmen mag das ganz anders aussehen – hier wagt der Autor kein Pauschalurteil, zumal der technologische Fortschritt oftmals zur Größe zwingt. Aber: Es gab in der Vergangenheit kein Produkt, das am Markt nachgefragt und nicht sofort von vielen anderen ebenfalls angeboten wurde.

Einkaufen auf Käufermarkt

Als weiteren Eigenfehler nannten viele: „Wir zahlen zu viel für den Rohstoff.“ Dazu muss aber festgehalten werden, dass spätestens seit 2009 am Rohstoffmarkt ein Verkäufermarkt herrscht, und am Absatzmarkt ein Käufermarkt – eine klassische Doppelschere. In einer solchen Situation ist das Verschulden für „zu viel bezahlt“ nicht einfach zu bewerten.
„Das strukturelle Problem ist größer als das konjunkturelle“, so formulierte es im Holzkurier Heft 48/13 Dr. Dieter Kainz. Kainz fordert, dass es zu drastischen Kapazitätsrücknahmen (Sägewerke: –20 %) kommen müsse. Eine solche aktive Konsolidierung fehle aber völlig. Als Ausnahme könnte man jüngst allerdings den Standort Sollenau nennen, den Stora Enso stilllegte.

Brancheneinstieg hatte Grund

Gar nicht hoch genug kann man die Bedeutung des Einstiegs der großen Private-Equity-Gesellschaft Carlyle bei der Klenk Holz AG 2013 einschätzen. Das dürfte erst der erste Schritt sein. Üblicherweise sichern sich diese Unternehmen eine entsprechende Marktposition, konsolidieren das Unternehmen und bieten dieses zum Verkauf an – etwa über die Börse. Alleine, dass diese Perspektive für Carlyle offenbar existiert, sollte vielen anderen Mut machen.
Verstärktes Controlling – das etwa der neue Mayr-Melnhof-CEO Richard Stralz einfordert – wäre ein weiteres wichtiges Instrument. Bauchentscheidungen sind jetzt in der Krise keine geeignete Grundlage.

Rohstoff wird Preis halten

Der Rohstoff wird – Kalamitäten ausgenommen – nie mehr markant günstiger werden. Entsprechend werden neue Produkte mit geringem Ressourceneinsatz benötigt. Das erfordert mehr Forschung und Entwicklung.
In weiterer Folge sind höhere Marketingausgaben und die Suche nach neuen Absatzmärkten unumgänglich.

Auswege aus der Krise

Konsolidierung
    „Strukturelles Problem größer als das konjunkturelle.“ (© Dieter Kainz) signifikante Kapazitätsrücknahmen (Sägewerke: -20%)seither fehlende aktive KonsolidierungBrancheneinstieg einer großen Private-Equity-Gesellschaft -> Investoren sehen Perspektive -> konsolidieren, dann Börse/Verkauf

Controlling statt Bauchgefühl
    viele Unternehmen unter Bankenbeobachtung -> auf die Finger schauenCEO Richard Stralz/Mayr-Melnhof Holz: „Controlling wird intensiviert, gute und schlechte Geschäftsfelder separiert.“

Weitere Notwendigkeiten
    Rundholzpreis-Niveau wird hoch bleiben (weil Rohstoff knapp bleibt) -> neue Produkte -> daher Forschung & Entwicklung stärken Abhängigkeit von Einzelmärkten verringernanpassen an „neue Märkte“: China, Türkei, Polen, Indien, …Manager-/Eigentümer Fehleinschätzungen kompensieren (Mengendenken, …)Eingriffe in freien Markt korrigieren (z. B. BaySF-Rundholz-Lieferverträge, NRW, …)blindes Vertrauen in Beratungsunternehmen aufgeben (Kunden, Gläubiger/Banken)intelligentere Produkte (BSP nicht Weisheit letzter Schluss)Bankenvertrauen wiedergewinnen („Katastrophenindustrie“)lernen aus Vergangenheit (Menge, Geschwindigkeit, Pricing, …)Beseitigungen von „Holz-Benachteiligungen“ (Bauordnungen)mehr Mittel für Holzwerbung/-information/-lobbying -> wir haben Rohstoff, für den vieles spricht: nachhaltig, nachwachsend, ressourcenschonend, „CO2-neutral“, … -> Alle Megatrends sprechen für Holz!Erklärungs-/Handlungsbedarf befriedigen: Brandschutz, Haltbarkeit, Verwendbarkeit, …