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240 Kunden besuchten die Valmet Customer Days in Berlin. Hier lauschen sie gerade den Worten von Pasi Laine, Präsident und CEO von Valmet © Günther Jauk

Kraftwerk als Allesfresser

Ein Artikel von Günther Jauk | 12.11.2014 - 08:47
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240 Kunden besuchten die Valmet Customer Days in Berlin. Hier lauschen sie gerade den Worten von Pasi Laine, Präsident und CEO von Valmet © Günther Jauk

Es gibt in Deutschland kein Blatt Papier, bei welchem nicht zumindest eine Faser mit einer Valmet- Anlage in Berührung gekommen ist“, erzählt Robert Mohr, Vizepräsident und zuständig für den Verkauf in Zentraleuropa, nicht ohne Stolz. Das Unternehmen, das zu Beginn des Jahres aus der Metso Gruppe hervorgegangen ist, ist weltweit mit 10.500 Mitarbeitern in den Sparten Zellstoff und Energie, Papier sowie Services tätig. Mohr zeigt sich mit dem Start zufrieden. Seit Januar sind bereits über 40 Bestellungen, darunter etwa zwei Zellstofftrockner in Brasilien, eine Kesselanlage in Finnland oder die Erneuerung der Papiermaschine bei Sappi, Gratkorn, bei Valmet eingegangen.

Autos aus Lignin

Mit dem Statement, dass Biomasse zwar im Verhältnis über die Zeit billiger werde, im Moment jedoch noch doppelt so teuer als Kohle sei, stellte Peter Berg gleich zu Beginn der Customer Days klar, dass noch viel zu tun sei. Berg ist Forschungsdirektor bei McKinsey & Company. Billiger könne Bioenergie, so Berg, durch Skaleneffekte und technologische Entwicklungen werden. Bei steigenden Rohstoffpreisen und daraus resultierenden kleineren Gewinnmargen ist technischer Fortschritt auch in der Zellstoffindustrie ein erfolgsentscheidender Faktor. Eine mögliche neue Anwendung von Lignin präsentierte Hendrik Mainka von Volkswagen. Dabei wird Lignin, welches in der Zellstoffherstellung lange Zeit ein Abfallprodukt war, in Carbonfasern umgewandelt. Holz besteht zu ca. 30% aus Lignin. Hinter der Anwendung von Fasermaterialien in der Automobilindustrie steht das Erreichen von CO2-Zielen. „Ein leichteres Auto verbraucht weiniger Treibstoff und produziert somit weniger Abgase“, erklärt Mainka. Warum Carbonfaserrahmen in Automobilen zurzeit noch nicht serienmäßig verbaut werden, liegt am Preis: „Sie sind zwar um einiges leichter als Stahl, kosten jedoch ein Vielfaches.“ Mit der Herstellung von Carbonfasern aus Lignin hofft man, kostengünstigere, gleichwertige Fasern erzeugen zu können. Im Moment liegen die mechanischen Eigenschaften von Carbonfasern aus Lignin jedoch noch hinter jenen aus herkömmlicher Herstellung.

Biomasse, Abfall oder Kohle

Die Customer Days wurden analog zu Valmets Geschäftssparten aufgeteilt. Im Bereich Energie war „Multifuel to Energy“ zentrales Thema. Vereinfacht gesagt, ging es um die Verfeuerung unterschiedlicher Rohstoffe, wie etwa Biomasse, Abfälle oder Kohle in einem Kessel. Mit diesem Konzept will Valmet seine Kunden dabei unterstützen, solide und dennoch flexible Entscheidungen treffen zu können. „Wir haben in unserem Labor bereits über 9000 verschiedene Brennmaterialien getestet“, erklärte Jussi Mäntyniemi, Direktor für Technologie, Forschung und Entwicklung bei Valmet. Diese Erfahrung ermöglicht es dem Unternehmen, jedem Kunden ein Kraftwerk auf eines oder mehrere Brennmaterialien hin zu optimieren. „Wurden kalorische Anlagen vor 30 Jahren in der Regel noch mit einem Rohstoff betrieben, sind es heute meist drei bis fünf “, erläuterte Ari Kokko, verantwortlich für Kohle- und Multifuelprojekte bei Valmet. Grund für den Einsatz unterschiedlicher Rohstoffe ist die damit steigende Flexibilität. Kunden aus unterschiedlichen Ländern berichteten neben marktüblichen Preisschwankungen über sich ständig ändernde Vorgaben und Fördermodelle seitens ihrer Regierungen. „Mit mehreren möglichen Rohstoffen könne man flexibler reagieren“, so die Aussage einiger Teilnehmer.

Alles grün

Für die gute Auslastung des Unternehmens im Bereich Energie sieht Kai Mäenpää, Vizepräsident, Energie Verkauf und Services EMEA bei Valmet, mehrere Gründe: „Die wachsende Wirtschaft benötigt zwangsläufig auch mehr Energie. Des Weiteren sind 40% der Kraftwerke in der EU älter als 30 Jahre, was bedeutet, dass sie in Bälde ausgetauscht oder zumindest erneuert werden müssen. Da laut EU Vorgabe 2030 27% der Energie aus erneuerbaren Ressourcen stammen müssen, werden Kohlekraftwerke oft durch Biomassekraftwerke ersetzt oder für die Verfeuerung unterschiedlicher Rohstoffe nachgerüstet.“ Ebenfalls führte Mäenpää die Versorgungssicherheit an: „Durch die angespannte politische Lage in der Ukraine und in Russland rückt die Versorgungssicherheit mehr und mehr in den Mittelpunkt.“ Derzeit importiert die EU über 50% ihrer Energie.

Keine Verkaufsveranstaltung

Neben den Präsentationen von Valmet-Mitarbeitern kamen auf den Customer Days auch einige Kunden zu Wort. Peter Säppele, Produktionsdirektor bei Kuopion Energia, berichtete etwa über die Umstellung eines seiner Kraftwerke von Kohle auf Holzfeuerung durch Valmet. Die Gastredner berichteten nicht nur von reibungslosen Erfolgsgeschichten, sondern skizzierten auch aufgetretene Probleme während des Baus und der Inbetriebnahme, welche gemeinsam mit Valmet gelöst wurden. „Durch die Gastredner bekommt die Veranstaltung mehr Informationscharakter und wirkt nicht wie eine Verkaufsveranstaltung“, freute sich ein Teilnehmer.

Energie für Stettin

Abgerundet wurde das Energieprogramm durch den Besuch des Biomassekraftwerks Stettin der polnischen Kraftwerksgruppe PGE. Das Werk produziert 68 MW elektrische und 162 MW thermische Energie für lokale Abnehmer. Die Stadt ist mit ihrem weitläufigen Einzugsgebiet eine der größten Städte Polens. Die Anlage, welche bis 2011 mit Kohle betrieben wurde, war in der Nachkriegszeit das größte Kraftwerk im Norden des Landes. 2011 wurde von Valmet (damals noch Metso) der neue „biomass bubbling fluidized bed boiler“ mit einer Dampfkapazität von 230 t/h geliefert.
Betrieben wird er mit Hackschnitzeln, Restholz und einem geringen Anteil an Stroh. Das Rohmaterial bezieht das Werk aus den Wäldern südlich und östlich von Stettin. Geliefert wird es per Lkw, Bahn und dank der günstigen Lage direkt an der Oder auch per Schiff. Täglich erreichen das Kraftwerk etwa 130 Lkw mit Brennstoff.