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Übersicht über Möglichkeiten zur CE-Kennzeichnung nach EN 14081 Bauholzsortimente © Holzkurier, Quelle: DeSH

Konflikt um CE-Dachlatten

Ein Artikel von Hannes Plackner | 06.11.2014 - 09:48
Ein Gutachten, welches in Deutschland die CE-Kennzeichnung von Dachlatten ermöglicht, sorgt für Wirbel. Der Prüfbericht wird derzeit im Auftrag von und auf Kosten des Bundesverbandes Deutsche Säge und Holzindustrie (DeSH) an der TU München erstellt. Er wird nur DeSH-Mitgliedsbetrieben im Zuge eines Lizenzsystems zur Verfügung stehen und gilt ab 2015 für Fichte/Tanne aus dem Wuchsgebiet Deutschland, Klasse S 10 (s. Holzkurier Heft 44, S. 4).
Von mehreren Seiten wird aber bezweifelt, ob dieses CE-Zeichen überhaupt notwendig sei. Ralf Diebold von der Holzforschung an der TU München hat dazu eine eindeutige Meinung: „Wenn man Bauholz tragend verwenden will, fällt es unter die EN 14081 und ist somit mit dem CE-Zeichen zu versehen.“ Diebold versteht tragend hier ausdrücklich auch als „manntragend“.

Das Thema wurde akut, weil der Europäische Gerichtshof in Deutschland die Bauregellisten kippte. Darin wurde für Dachlatten das Ü-Zeichen vorgeschrieben. Als Ersatz einigte sich der DeSH in Absprache mit den Verbänden des Dachdeckerhandwerks, des Holzhandels und Holzbaus Deutschland mit der Bau-Berufsgenossenschaft (BauBG) auf das CE-Zeichen. Das soll sicherstellen, dass Dachlatten festigkeitsgeprüft sind und ein Durchbrechen ausgeschlossen ist. Unter den Experten ist aber strittig, ob die EN 14081 überhaupt so ausgelegt werden kann. Wird die Dachlatte nämlich nur als temporärer Arbeitsplatz (für Zimmerer) gesehen, der später keine statisch tragende Wirkung erfüllt, könnte man sich den CE-Stempel sparen. Man müsste dann allerdings ein anderes Vehikel zur Qualitätssicherung finden, um den Ansprüchen der BauBG gerecht zu werden.

Deutschland verbaut 1 Mio. m3/J Dachlatten

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Übersicht über Möglichkeiten zur CE-Kennzeichnung nach EN 14081 Bauholzsortimente © Holzkurier, Quelle: DeSH

Marktrelevanz hat diese Frage, weil Bauunternehmen bei einem Unfall den Versicherungsschutz riskieren, wenn keine zertifizierte Ware eingesetzt wurde. Das CE-Zeichen ist damit ein Vertriebsargument. Eine Studie des Thünen-Instituts bezifferte das verbaute Volumen im Vorjahr auf 733.000 m3/J. Inklusive Verschnitt macht der Dachlattenmarkt in Deutschland knapp 1 Mio. m3/J aus.
Schwieriger zu beantworten ist die Frage, wie viel davon normgemäß, also farblich markiert und trocken, verarbeitet wird. Ein kurzfristiger Marktrundruf bei Händlern ergab Schätzungen, wonach gegenwärtig nur 10 % bis 40 % der Dachlatten den Vorschriften entsprechen. Der Großteil der Latten würde zwar imprägniert, aber feucht eingebaut. Doch man geht davon aus, dass der Anteil an normgemäßer Ware steige. Bleibt die Frage, was normgemäße Ware ist (keiner der befragten Händler und Hersteller war sich darin sicher).

Im Widerspruch zur Grundidee

Wenn es nach dem DeSH geht, können dessen Mitglieder ab Jahreswechsel das CE-Zeichen anwenden. Hier hakt die Kritik zweier Sägewerks-Landesverbände ein, die nicht Teil des DeSH sind. Mitglieder beim Verband der Säge- und Holzindustrie Baden-Württemberg (VSH) und der Verband der Rheinland-Pfälzischen Säge- und Holzindustrie (VRS) können nicht auf diesen Prüfbericht zurückgreifen. Vielen Sägewerken bliebe damit der Zugang zum Dachlattenmarkt verwehrt. „Diese Vorgehensweise steht im Widerspruch zu den Grundideen des CE-Zeichens“, verlautbart der VSH in einer Pressemitteilung. In Österreich macht sich der Fachverband ebenfalls Sorgen um einen „problematischen Wettbewerbsnachteil“.
Der DeSH stellt dazu fest: „Das Lizenzsystem stellt keine Behinderung des Handels dar. Der DeSH erleichtert seinen Mitgliedern hierdurch lediglich die Erfüllung gesetzlicher Vorschriften.“ Vergeben wird der Prüfbericht nur im Zuge eines kostenpflichtigen Lizenzsystems. Die laufende Gebühr dafür reicht von 100 €/J (unter 50.000 fm/J) bis 500 €/J (über 100. 000 fm/J). Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass der Aufwand zur Berichtserstellung von partizipierenden Betrieben getragen wird. Das stößt in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz auf Kritik. Grundsätzlich spreche nichts gegen „vernünftige neue Richtlinien“, heißt es. Schließlich sollen sie Sicherheit und Güte bei den Dachlatten garantieren. Damit sei es jedoch nicht getan. „Es muss auch dafür gesorgt werden, dass die Richtlinien auf den Baustellen eingehalten werden. Sicherheit auf dem Dach sollte selbstverständlich und nicht einem exklusiven Kreis vorbehalten sein.“
Rückenwind für seine Argumentation sieht der Verband in einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 16. Oktober. Darin kippten die Luxemburger Richter das in Deutschland übliche System von Bauregellisten, in denen für Bauprodukten über das CE-Zeichen hinaus gehende Spezifika vorgeschrieben werden.

Nun wird zweites Gutachten beauftragt

Der DeSH beurteilt das EuGH-Urteil diametral anders: „Es bestätigt ausdrücklich, dass für harmonisierte Bauprodukte die CE-Kennzeichnung verpflichtend ist.“ Der DeSH sieht durch seinen Dachlattenbericht und das Lizenzsystem keinen Aufbau eines Handelshemmnisses. Außerdem hätten deutsche wie ausländische Betriebe und Verbände die Möglichkeit, Berichte, die zur CE-Kennzeichnung dienen, erstellen zu lassen.
Genau das wollen VSH und VRS nun tun. Es wird ein weiterer Prüfbericht zu Dachlatten in Auftrag gegeben. Dieser soll nicht nur den Verbandsmitgliedern, sondern allen Interessierten zur Verfügung gestellt werden. Umgesetzt werde das in der „Arbeitsgemeinschaft für Mittelstandssäger“, informieren die beiden Landesverbände.
Österreichs Fachverband arbeitet ebenfalls an der Materie. Sollte sich das CE-Zeichen bei Dachlatten durchsetzen, könnte laut jetzt vorliegendem Prüfbericht nur Holz aus dem Wuchsgebiet Deutschland eingesetzt werden. „Der Fachverband analysiert die problematische Situation seit Wochen. Für österreichische Unternehmen darf es im freien europäischen Raum keinen Wettbewerbsnachteil geben“, heißt es in Wien. Nun läuft eine förmliche Anfrage, ob Dachlatte überhaupt als Bauprodukt anzusehen sei.