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Neues Logo: Die Holzforschung Austria präsentierte in Schladming ihr neues Corporate Design © Robert Kittel

Kommt bald das Fenster 2.0?

Ein Artikel von Robert Kittel | 24.03.2014 - 13:35
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Neues Logo: Die Holzforschung Austria präsentierte in Schladming ihr neues Corporate Design © Robert Kittel

Aufmerksamen Beobachtern entging die Fahne vor dem Kongresszentrum im Skiweltmeisterschaftsort Schladming nicht: Auf ihr prangte schon vor Beginn das neue Logo der Holzforschung Austria, das Gastgeber Peter Schober bei seinem Eröffnungsreferat präsentierte.
Einen Blick in die Zukunft ermöglichte Steffen Braun vom Fraunhofer-Institut Stuttgart. Im Forschungsprojekt Morgenstadt spiele der urbane Holzbau als neues Stadtprinzip eine wichtige Rolle. Green Energy sei die nächste technische Evolutionsstufe nach Dampfmaschine und Internet, meint Braun. Die Energiegewinnung wandle sich von zentralisierten Systemen zu kleinen, dezen­tralen Einheiten – Bioreaktoren in Fassaden, solare Energiezugewinne an Fenstern sind Beispiele dafür.
Marco Ragonesi analysierte in seinem Vortrag den Iststand der Technik beim Kraftwerk Fenster. „Der U-Wert ist zweitrangig, wenn ich hohen Energiegewinn habe“, regte er an, man müsse nicht um jeden Preis dämmen, wenn die Energiebilanz stimme. Von Rahmenmaterialien mit zusätzlichen Dämmungen hält er wenig: „Rahmenoptimierungen bringen nur wenig, außer minimal bei Flügelunterstücken und Setzhölzern.“ Jüngere eidgenössische Forschungsarbeiten hätten ergeben, dass eine Einberechnung solarer Zugewinne oder die Ermittlung eines Zuheizungsbedarfs aussagekräftiger als die Werte Ug und Uf seien.

Energieäquvivalenter UW,eq-Wert

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Marco Ragonesi, Schweiz: "Der U-Wert ist zweitrangig, wenn ich hohen Energiegewinn habe." © Robert Kittel

In der Schweiz soll daraus in Kürze ein „Pickerl“ ähnlich den Kühlschrank-Effizienzklassen entstehen, welches genau dieses Prinzip umsetzt. Der neue energieäquivalente U-Wert UW,eq bewerte auch die solaren Zugewinne, erläuterte Ragonesi. Klasse A würde dabei Plusenergie bedeuten, Klasse D ein Sanierungsobjekt. Die Einführung sei nahezu abgeschlossen, es fehle nur noch die Zustimmung des Schweizer Bundesamtes für Energie, berichtete Ragonesi.

Neue Durchgangslichten und andere Updates

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Peter Schober, HFA: "Derzeit ist nicht absehbar, wann es einen Normentwurf geben wird, zu viele Interessen sind im Spiel." © Robert Kittel

Peter Schober und Martin Wieser informierten über die Entwicklungen bei österreichischen Normen und Gesetzen. Wichtigste Änderung sind die neu definierten Durchgangslichten für Türen in der Ö-Norm 5337. Nicht mehr die Stocklichte, sondern die tatsächliche Durchgangslichte zähle, so Wieser. Wenig Neues gebe es hingegen zur B 5320 Fenstereinbau: „Derzeit ist nicht absehbar, wann es einen Normentwurf geben wird“, berichtete Schober, „zu viele Interessen sind im Spiel.“ Zu den modischen geölten Fensteroberflächen gab er den guten Rat, Endkunden nachweislich über die Folgen des Ölens aufzuklären. Technisch gesehen handle es sich beim Ölen nämlich nicht um den in der B 2803 vorgesehenen „Schutz vor Witterungseinflüssen.“

Landesgesetze regeln Marktüberwachung

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Nikolaus Fuchs, Inst. für Bautechnik: "Die Marktüberwachung ist zuständig für das Produkt, die Baubehörde für den Einbau." © Robert Kittel

Mit Spannung wurde der Auftritt von Nikolaus Fuchs erwartet. Erstmalig referierte mit Fuchs der Leiter der neu geschaffenen Marktüberwachung, welche die Einhaltung der Bauproduktenverordnung in Österreich überwachen wird. In sechs Bundesländern sei die Marktüberwachung inzwischen in Landesgesetzen geregelt, die fehlenden Länder würden in Kürze folgen. Von den Ländern wurde dazu das Österreichische Institut für Bautechnik ins Leben gerufen, das mit der Marktüberwachung beauftragt wurde.
„Die Marktüberwachung ist zuständig für das Produkt, die Baubehörde für den Einbau“, erläuterte Fuchs die Kompetenzen. Die Überwacher sind zu Baustellenkontrollen berechtigt, Verstöße können mit Verwaltungsstrafen geahndet werden. 2014 wolle sich die Marktüberwachung vor allem mit Kon­trollen von Sicherheitsglas, Holzwerkstoffen und Bodenbelägen beschäftigen, verriet Fuchs noch.
Benno Bliemetsrieder vom ift Rosenheim beleuchtete das Emissionsverhalten von Fenstern. Wie jüngst erfolgte Untersuchungen zeigten, gebe es ein „Abklingverhalten“ in den ersten Wochen nach der Produktion. Danach seien Holzfenster weitgehend unproblematisch, konnte Bliemetsrieder beruhigen. Vor allem für den französischen Markt ein wichtiges Argument, die Franzosen haben das Emissionsverhalten schon in vier Klassen von A+ bis C eingeteilt. Alle in Rosenheim geprüften Fenstertypen hätten problemlos die beste französische Klasse A+ erreicht. Sonst gebe es derzeit keine verbindlichen Vorgaben, die Produktnorm EN 14351 müsse erst angepasst werden: „Aber das kommt sicher“, so Bliemetsrieder.

Neues Fensterstatiktool für Tischler

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Interessiertes Publikum: Die Fachvorträge griffen aktuelle Themen auf, welche die Zuhörer in der Praxis beschäftigen © Robert Kittel

Der Trend zu großen Elementen mit immer schlankeren Profilansichten führt zunehmend zur Überschreitung zulässiger Grenzdurchbiegungen. Eine Ausbildung in Sachen Fensterstatik wird für Tischler noch nicht wirklich angeboten. Die Holzforschung Austria hat deshalb ein einfaches Exceltool geschrieben, welches auch „Nichtstatikern“ eine schnelle Kontrolle der Konstruktion ermöglichen soll (s. Fenster Special, S. 4). Christoph Hackspiel von der Holzforschung Austria stellte dieses Tool in Schladming erstmals vor. Mit einigen wenigen Eckparametern können Profilquerschnitte damit auf ihre Tauglichkeit geprüft werden. Praktischerweise erspart eine „Ampelanzeige“ die Interpretation kryptischer Werte. Die Grenzdurchbiegung wird sogar unter Berücksichtigung regionaler Windlasten ermittelt. Eine Hinterlegung firmenspezifischer Profilquerschnitte ist, basierend auf DXF oder DWG, problemlos möglich, das Statiktool soll dabei erschwinglich bleiben.

Kondenswasser ist immer hausgemacht

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Heinz Ferk, TU Graz: "Kondensat muss durch die Gebäudekonstruktion, nicht durch die Fensterkonstruktion verringert werden." © Robert Kittel

Mit den vielfältigen Erscheinungsformen von Kondensat – Eis, Pilz, Schimmel oder schlicht ablaufend – setzte sich Heinz Ferk von der TU-Graz auseinander. Von Kondensat verursachte Schäden zählen zu den häufigsten Baumängeln. Eine der Ursachen sei, so paradox es klingt, die durch die thermische Sanierung verbesserte Dämmung. Der verringerte Heizbedarf fördere die Bildung von Kondensatzonen dort, wo die Oberflächentemperatur unter dem Taupunkt liegt. Besonders betroffen: der Glasrand mit entsprechenden Durchfeuchtungen im Falz. Auch die Gebäudezwangsbelüftung mit Überdruck fördere Kondensatbildung. Ferk meint deshalb , dass aufgrund der physikalischen Gegebenheiten ein Ansatz bei der Fensterkonstruktion wenig bringe: „Die Kondensatbildung muss durch die Gebäudekonstruktion, nicht durch die Fensterkonstruktion verringert werden.“ Anders sei eine Kondensatbildung, auch bei technisch völlig korrekt versetzten Fenstern, nicht zu vermeiden.

Fensterlüftungen subjektiv angenehmer

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Martin Teibinger, HFA: "An einem modernen Hohlblockziegel ist kaum noch Ton dran, den man als Speicher nutzen könnte." © Robert Kittel

Ebenfalls durch moderne Bauweisen oder Architektur bedingt, stelle sich die Überhitzung von Räumen dar, belegte Martin Teibinger von der Holzforschung Austria. Untersuchungen am Forschungshaus in Stetten hätten ergeben, das Fassadenfarbe, Dämmung und Speichermasse wichtige Faktoren sind. Zum Thema Speichermasse merkte Teibinger an: „An einem modernen Hohlblockziegel ist kaum noch Ton dran, den man als Speicher nutzen könnte.“ Aber das seien bei Weitem nicht die entscheidenden Faktoren, welche das Wohlbefinden am meisten beeinflussen, sondern Beschattung und Fensterlüftung. Nur durch geöffnete Fenster könne die Wärme durch Nachtlüftung (auch bei Passivhäusern) wieder abgeführt werden und das werde auch als wesentlich angenehmer empfunden.

Fortschritte bei der Werkzeugbeschichtung

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Eduard Bachmann, FH Biel: "In drei bis fünf Jahren werden Beschichtungen mit 30- bis 50-facher Standzeit möglich sein." © Robert Kittel

Eduard Bachmann von der Berner Fachhochschule Biel berichtete über Forschungen zur Schneidenbeschichtung. Ein erstes kommerziell umgesetztes Ergebnis sei die NanoCro-Beschichtung von Oertli. Messungen unter dem Rasterelektronenmikroskop und praktische Tests haben ergeben, dass beschichtete Schneiden auch bei einer bereits als „stumpf“ zu bezeichnenden Verrundung eine deutlich bessere Oberflächenqualität liefern. Die Forschungen stünden erst am Anfang, Bachmann ist sich aber ziemlich sicher: „In drei bis fünf Jahren werden Beschichtungen mit 30- bis 50-facher Standzeit möglich sein.“

Fälschungssicherer Venenscan

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Branchentreff in Schladming: Für die österreichischen Fensterhersteller ist der Fenster- und Türentreff praktisch ein Pflichttermin - die Teilnehmerliste las sich wie das Who "s who der Branche © Robert Kittel

Über aktuelle Entwicklungen bei der Biometrie sprach Alexander Novak vom Fraunhofer Institut für grafische Datenverarbeitung. Bei den heute üblichen Schließsystemen für Hauseingangstüren fehle der Personenbezug, was sie potenziell unsicher mache. Fingerabdrücke seien theoretisch fälschbar, legte Novak dar und führte als Beispiel eine Koreanerin an, die gefälschte Fingerabdrücke zur Einreise benutzt haben soll und nur durch Zufall entdeckt wurde. Weniger bekannt sei hingegen das Venenmuster, mit dem sich jüngere Forschungen intensiv beschäftigen. Es sei ebenso individuell wie ein Fingerabdruck, aber kaum fälschbar. Die leicht erkennbare Durchblutung stelle nämlich sicher, dass es sich um eine lebende Person handelt.