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Windpark am Hochpürschtling © Hainzl

Kehrtwende gefordert

Ein Artikel von Hellfried Hainzl | 07.05.2014 - 09:00
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Windpark am Hochpürschtling © Hainzl

Die Kernbotschaft des dritten Kapitels des Weltklimaberichts lautet, dass die Abkehr von klimaschädlichen fossilen Energiequellen nicht so teuer sei, wie viele Menschen vermuten. Wissenschaftler empfehlen eine radikale Verschiebung von Investitionen – weg von Förderung und Verbrennung von Kohle, Öl und Gas hin zu klimafreundlichen Energien. Nach IPCC-Berechnungen schlägt der Weltklimabericht bei Umsetzung aller Maßnahmen mit einem Minus von lediglich 0,06 %-Punkten zu Buche – und auch das nur bis zum Jahr 2030. Jährlich steigt das Wirtschaftswachstum geschätzt um 1,6 bis 3 %.

Zur Ausgangslage

1. Im Februar veröffentlichte Eurostat, das Statistische Amt der EU, die Energiestatistik Europas für 2012, wo Österreich beim Energiesparen und bei der Energieunabhängigkeit auf den hinteren Rängen zu finden ist. Die Ausgaben Österreichs für Importe fossiler Energieträger sind 2012 auf 17 Mrd. € gestiegen. Auch am Stromsektor ist Österreich nach wie vor ein Nettoimportland. Trotz aller Bemühungen, mit unkonventioneller Technik und Mitteln das letzte Öl und Gas aus unserer Erde herauszupressen (Stichwort Öl- und Schiefergasfracking, Ölsandgewinnungen, Tiefseebohrungen mit teilweise katastrophalen Auswirkungen für die Umwelt), müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass unsere fossilen Ressourcen endlich sind. Aktuell wird uns durch die Krise in der Ukraine die politisch gefährliche Abhängigkeit vom russischen Gas drastisch vor Augen geführt.
2. In den vergangenen Wochen wurde vom IPCC der UNO-Klimabericht vorgestellt. Für das Intergovernmental Panel on Climate Change (Zwischenstaatlicher Ausschuss zum Klimawandel) mit Sitz in Genf arbeiten mittlerweile mehr als 2500 Wissenschaftler aus 195 Mitgliedsstaaten unentgeltlich, sammeln wissenschaftliche Daten und werten sie aus.
Die ersten beiden Teile des Weltklimaberichts hatten sich mit wissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels sowie damit verbundenen Risiken und notwendiger Anpassung an Klimafolgen befasst. Einige Kernaussagen lauten:
– Der menschliche Einfluss auf das Klimasystem ist erwiesen.
– Der stärkste Einfluss auf die Erderwärmung geht vom Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre aus.
– 2011 waren 90 % der CO2-Emissionen auf die Verbrennung fossiler Energieträger zurückzuführen.
– Der Klimawandel kann beschränkt werden, wenn es zu einer wesentlichen und andauernden Reduktion der Emissionen an Klimagasen kommt.
– Machen die Staaten weiter wie bisher, kommen wir auf eine Erwärmung von voraussichtlich 3,7 bis 4,8° C bis 2100. Um das zu verhindern, müsse die Welt bis Mitte des Jahrhunderts die Treibhausgasemissionen um 40 bis 70 % drosseln und bis 2100 nahezu auf Null bringen.

Radikales Umdenken nötig

Bisher ist es ein politisches Ziel, die Erderwärmung auf unter 2° C zu halten – gerechnet im Vergleich zur Temperatur vor der Industrialisierung. In dieser Marge gilt der Klimawandel mit Gletscherschmelze, steigendem Meeresspiegel und Wetterextremen zwar als beherrschbar. Doch die Folgekosten reichen bis hin zu neuen Herausforderungen, wie Klimaflüchtlingen. Vom Zweigradziel ist die Welt jedoch weit entfernt.
Mithilfe von Modellen für das Klimaschutzszenario sollten laut IPCC ab 2012 nicht mehr als 1,6 t CO2 pro Kopf und Jahr emittiert werden. Nach den Eurostat-Zahlen lagen die CO2-Emissionen pro Kopf weltweit bei 4,6 t, in der EU im Schnitt bei 7 t und in Österreich bei 7,7 t. Trotz erneuerbarer Energien und hoher Wasserkraft sind in Österreich die CO2-Emissionen pro Kopf mehr als viermal so hoch, als sie im Sinne des Klimaschutzszenarios sein sollten. Nach Angaben des Umweltbundesamtes wird sich daran bei Festhalten an der aktuellen Politik bis 2030 auch nicht viel ändern.

Klimaskeptiker: Strategien und Argumente

Es ist kein Geheimnis, dass eine Reihe von Ländern mit großen Vorräten an Kohle, Öl oder Gas kein Interesse an einem wirksamen, bindenden Abkommen zur Reduktion der Verwendung fossiler Energien haben. Ein beliebtes Argument der Klimaskeptiker ist der Hinweis, dass es auf Österreich – auf Europa – gar nicht ankomme, da der Anteil dieser Regionen an den globalen Emissionen immer geringer wird. Doch genauso argumentieren Klimaskeptiker in Kanada, Australien, Russland, diversen Regionen Chinas und Amerikas. Folgt man diesem Argument, so würden Klimaschutzmaßnahmen erst beginnen, wenn der letzte Skeptiker sich bewegt. Diese Argumentation führt zu einem beschleunigten Klimawandel und ist Ausdruck einer Verweigerung von Verantwortung. Oder: Die Industrie müsse geschützt werden, sonst wandere sie aus und am Ende werde mehr emittiert. Das Argument ist richtig, aber die Industrie emittierte 2011 nur 29,6 % aller Treibhausgase. Mehr als 70 % kamen von der kalorischen Stromerzeugung, von fossilen Wärmekraftwerken, von über einer Million Öl- und Gasheizungen, vom (Luft-)Verkehr.
Durch zahlreiche Maßnahmen bei der erneuerbaren Wärme- und Stromerzeugung können die CO2-Emissionen massiv gesenkt werden. Die damit verbundene Investitionstätigkeit würde der Industrie zum Vorteil gereichen. Die Erkenntnisse der Klimaforschung zeigen auch, dass gerade der österreichische Wald in den nächsten Jahren stark vom Klimawandel betroffen sein wird.
Die österreichische Forstwirtschaft leistet bisher schon durch die nachhaltige Bereitstellung von Biomasse unter anderem für die Strom- und Wärmeerzeugung einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz. Neue Chancen ergeben sich auch in der Nutzung der (Klein-)Wasserkraft und für die Bereitstellung von geeigneten Standorten für die Windkraftnutzung.

Kampf um die Energiewende

Der neue Kampfruf der konventionellen Energieversorger schallt durch Europa: Die erneuerbaren Energien müssen an die Marktreife herangeführt werden. Tatsächlich wurde die Stromerzeugung mit atomarer und fossiler Energie in der EU mit 61 Mrd. € subventioniert – das ist doppelt so viel, als die erneuerbaren erhalten haben. Beim Emissionshandel stehen wir vor dem Scherbenhaufen der europäischen Klimapolitik. Umweltverschmutzung ist praktisch kostenlos.
Derzeit liegt von der EU- Kommission erstmals ein Entwurf für neue Richtlinien bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Beihilfen im Umwelt- und Energiebereich vor. Statt fixen Einspeisevergütungen sollen Zuschläge auf den Marktpreis für Strom bezahlt werden. Dies würde allerdings die Sicherheit für Investitionen verringern und es in Folge schwieriger für Projektfinanzierungen machen. Voraussetzung für einen raschen Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung ist die Beibehaltung unseres bewährten, gut erprobten und effektiven Ökostromgesetzes, mit dem Ziel, bis 2020 100 % des Stroms aus erneuerbaren Quellen (Wind, Wasser, Fotovoltaik, Biomasse und Biogas) zu erzeugen.
Für die Energiewende im Wärmebereich sind zusätzlich 150 Mio. € notwendig, um Öl und Gas rascher durch erneuerbare Wärme zu ersetzen. Das ist viel sinnvoller, als jährlich Milliarden Euro über Gasleitungen ins Ausland zu schicken und zusätzlich noch die Klimazerstörung zu beschleunigen.