14108563290675.jpg

Tiit Saar (re.) zeigt sich zufrieden mit der Betreuung von Grecon, verteten durch Raiko Kaasik (li.), Thomas Kohlmeyer und Monika Aro © Dinah Urban

Im Land der Kanteln

Ein Artikel von Dinah Urban | 16.09.2014 - 10:45
14108563290675.jpg

Tiit Saar (re.) zeigt sich zufrieden mit der Betreuung von Grecon, verteten durch Raiko Kaasik (li.), Thomas Kohlmeyer und Monika Aro © Dinah Urban

Vom Flughafen Tallinn führt der Weg zum Holzkurier-Termin bei Puit-Profiil, Põltsamaa/EE, eine knappe Stunde durch das ländlich geprägte Estland. Doch gefühlt alle fünfzehn Minuten macht Thomas Kohlmeyer, Verkaufsleiter von Konstruktionsholzanlagen bei Grecon, Alfeld/DE, auf (potenzielle) Kunden von sich aufmerksam. „In Estland wird das Gros der weltweiten Fensterkantelproduktion hergestellt“, erklärt er. Den Löwenanteil steuert Stora Enso bei. In den vergangenen 15 Jahren hat sich die Herstellerstruktur jedoch stark verändert. Viele ehemalige Mitarbeiter des Konzerns stiegen aus und gründeten ihre eigenen Unternehmen, weiß Kohlmeyer. Die fünf, die es geschafft haben, sind nun regelmäßig seine Kunden.

Nur ein Koch – das Geheimnis?

14108562129379.jpg

Zwei Kappsägen bespeist die Mechanisierung je nach freier Kapazität © Dinah Urban

An Nachfrage mangle es wahrlich nicht, wie Puit-Profiil-Geschäftsführer und -Inhaber Tiit Saar berichten kann. Leider kann nicht jeder Kunde bedient werden, da die Produktionskapazitäten ausgelastet sind. Da heißt es: stetig investieren und nachhaltig wachsen, um vielleicht irgendwann einen neuen Anlauf zu starten. Etwa fünf estnische Betriebe verfolgen diese Strategie. Saar hat in dem Familienunternehmen mit bis zu 80 Mitarbeitern in der Hochsaison das alleinige letzte Wort. So verderben zumindest schon mal nicht zu viele Köche den Brei. Und es scheint, als weiß er, was er tut. Die jüngste Entscheidung stand Anfang Juli, frisch geliefert und noch in Einzelteilen verpackt, in der neuen Halle. Eine Keilzinkenanlage des Typs Turbo-S 1000 von Grecon wartete auf ihre Montage. Die sollte wenige Tage später erfolgen und die Produktionskapazität um etwa 60 lfm/min erhöhen. Das bedeutet eine Leistungserhöhung um 50 % bei der Keilzinkenware. Der Jahresumsatz wird sich dadurch 2015 um 3 auf 13 Mio. € erhöhen. Das dürfte die Mitarbeiter freuen – spricht es doch für ein beständiges Wachstum und damit einen gesicherten Arbeitsplatz. Viele von ihnen kommen aus der Umgebung und sind dem Unternehmen seit Jahren treu.

Von Anfang an dabei

14108564539379.jpg

Fünf Pakete, wie sie hier gepackt werden, verarbeiten die „alten“ Keilzinkanlagen in einer Minute © Dinah Urban

1994 gründete Saar Puit-Profiil mit zwei Mitarbeitern in einer gemieteten Halle, um einen bekannten Fensterhersteller versorgen zu können. Durchschnittlich wuchs die Produktion dann jährlich um etwa 30 %. 2001 zog der Betrieb in die eigenen vier Wände. Und das werden stetig mehr. Die Produktionshalle für die Turbo-S ist der neueste Bau.
Die Turbo-S-Keilzinkenanlage mit einer Paketbreite von 600 mm und einer maximalen Fräshöhe von 225 mm soll den vorhandenen Maschinenpark optimal ergänzen. Da Grecon das Unternehmen von der Gründung an begleitet hat, gesellt sich das gute Stück zu den 2005 und 2011 in Betrieb genommenen Combipact-Anlagen. „Der erste Keilzinkenautomat war eine gebrauchte Grecon-Anlage vom Baujahr 1972“, erinnert sich Saar genau. Kein Wunder, denn sie war bis vor fünf Jahren noch in Gebrauch. Bei den neueren Modellen sind Mechanisierungsgrad, Fräsqualität und vor allem die Leistung viel höher.

Aus bewährtem Hause

14108563647960.jpg

Auf einer Höhe: An zwei Anschlägen ausgerichtet, erhalten die Rohkanteln ihre beidseitige Keilzinkung und den Klebstoffauftrag © Dinah Urban

Bevor die Fräsen zum Einsatz kommen, teilt die Steuerung per Mechanisierung die Rohlamellen den beiden Opticut 450-Kappsägen – ebenfalls aus dem Sortiment der Weinig-Gruppe – je nach Auslastung zu. Sie kappen die von einem Scanner eingelesenen Fehlstellen aus. Nach Qualität in Kisten vorsortiert, werden die Kurzstücke zu Paketen geordnet, wobei eine Qualität automatisch und direkt auf einem Querförderband zur Paketierung der Keilzinkenanlage gelangt.
Zunächst werden die Hölzer stirnseitig ausgerichtet und anschließend mittels Servovorschub rechtwinkelig zerspant. Das erste Fräsaggregat fräst das Profil der Zinken in die plane Stirnseite des Werkstückpakets. Nach der Weitergabe über ein Zwischenband zur zweiten Fräseinheit wird die andere Stirnseite des Pakets gefräst. Dabei erfolgt außerdem der exakt dosierte Leimauftrag auf das Keilzinkenprofil über das patentierte Flankenjet-System. Die im Paket gefrästen und beleimten Hölzer werden daraufhin vereinzelt und in einer Einfädelstrecke versatzfrei zu einem endlosen Strang zusammengesetzt. „Dabei kommt es ganz besonders auf den Zinkenschluss und die Ausrissfreiheit an“, informiert Kohlmeyer.

Kanteln auf Achse

14108563967316.jpg

Nach dem zweiten Fräsvorgang erfolgt der präzise Leimauftrag in die Keilzinken © Dinah Urban

Produziert wird nach Auftrag innerhalb von drei Wochen. Feste Verträge sichern beiden Seiten die Verbindlichkeit. Abgelängt auf 6 m oder als Fixlängen mit geschlossener Decklage machen sie sich auf den Weg zu Fensterherstellern in Skandinavien, Polen und anderen europäischen Ländern. Ein geringer Anteil der Produktion (darunter nicht nur Fensterkanteln) bleibt im Inland. Als fertige Fenster verlässt im Endeffekt nur etwa 1 % die Heimat nicht. Wobei „Heimat“ nicht ganz passend ist. Das Schnittholz bezieht Puit-Profiil größtenteils aus Finnland und Lettland.
Auf die Frage, was mit den Holzresten geschehe, entgegnet Saar, er habe über Pellets als Zusatzverdienst nachgedacht. Ob es jetzt allerdings ratsam sei, noch auf den Pelletsboom-Zug aufzuspringen, der vor Estland nicht haltgemacht hat, wisse er nicht. Bislang dienen die Nebenprodukte für die eigene Heizung oder werden an regionale Abnehmer verkauft.

Für Neulinge und Profis

14108562625643.jpg

Im Dauermarsch: Frisch gefräst und beleimt, gleiten die Einzelteile zur Endlosfügung und werden anschließend auf 6 m abgelängt © Dinah Urban

Grecon bietet ein breites Spektrum von Maschinen und Anlagen für die Endenbearbeitung an. Die Keilzinkung von Kurzholz bis Konstruktionslänge und -dimension deckt das Angebot ab. Kurzholzanlagen können nach dem Baukastenprinzip individuell zusammengestellt und auch nachträglich aufgerüstet werden. Als leistungsstarkes Einsteigermodell mit schneller Amortisierung ist die Profijoint gedacht. Holzbreiten bis zu 150 mm, Holzdicken bis zu 55 mm und Holzeingangslängen von 150 bis 700 mm können problemlos verarbeitet werden. Ein schwingungsmildernder Gusskörper sorgt im Bereich der Fräse für die nötige Präzision. Als starke Mittelklasse mit erhöhter Presskraft handelt der Hersteller das Modell Ultra. Sie ermöglicht eine wirtschaftliche Restholzausnutzung. Standardmäßig bearbeitet sie Holzbreiten von 205 mm und Holzeingangslängen von 150 bis 1000 mm. Längen bis 3 m sind jedoch auch möglich. Die Combipact ist für den flexiblen Hochleistungseinsatz gedacht, etwa beim Wechsel von Horizontal- und Vertikalzinkungen. Neben der bereits erwähnten Turbo-S bilden die HS-Modelle 120 und 200 die Hochleistungsklasse.

Vielfach vertreten

14108564267430.jpg

Kein Stillstand: Die nächste Turbo-Lieferung steht noch verpackt in der neuesten Produktionshalle - eine noch schnellere Keilzinkanlage © Dinah Urban

Für einen optimalen Kundenkontakt und regionale Ansprechpartner unterhält Weinig-Grecon in allen baltischen Ländern – so auch in Estlands Hauptstadt Tallinn – eine Werksvertretung (Esttech Grupp). Dort stehen Monika Aro und Raiko Kaasik für jegliche Anliegen zu Verfügung.

Daten & Fakten

Puit Profiil

Gründung: 1994
Standort: Põltsamaa/EE
Geschäftsführer: Tiit Saar
Mitarbeiter: 80
Produktsortiment: keilgezinkte sowie durchgehende Fensterkanteln und andere Leimholzprodukte
Produktion: ab 2015 etwa 30.000 m³/J
Liefergebiet: NO, FI, SE, EE, PL
Exportanteil: 80 %
Umsatz: 10 Mio. €/J, ab 2015 etwa 13 Mio. €