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Nagender Holzwurm © Archiv

Holzwurm: Studieren im „Holzkondombau“

Ein Artikel von Hannes Plackner (für Timber-Online bearbeitet) | 08.04.2014 - 11:55
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Nagender Holzwurm © Archiv

Stolz wird in Wien ein „nachhaltiger Neubau“ auf der Universität für Bodenkultur (Boku) verkündet. Bloß: Jene Uni, die sich wie keine Zweite in Österreich die Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben hat, bekommt (mal wieder) einen Stahlbetonbau.

Drei Institute, ein Gastronomiebetrieb und ein Hörsaal mit 400 Sitzen finden auf 5250 m² Platz. Die Kosten sind mit 16,7 Mio. € veranschlagt. Das sind über 3100 €/m². Klassische Bürobauten kosten die Hälfte. Trotzdem wird aktuell mit einer Stahlbetonkonstruktion geplant. Die Boku hat zwar „einen besonderen Fokus auf die Integration von ökologischen Baustoffen“ gelegt. Das hindert die ausschreibende Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) nicht daran, Holz- und Forstwirtschaftsstudenten in einen Betonkobel zu zwängen. Abgezielt wird lediglich auf den Plusenergiestandard. Diese „Nachhaltigkeitszertifizierung höchster Qualitätsstufe“ (Zitat einer Aussendung der BIG) braucht offenbar kein Holz.

Das erregt Unmut. Ein Student beschrieb das Vorhaben auf Facebook präzise als „Holzkondombauweise, ein Stahlbetonbau“ mit Holzfassade. Tatsächlich soll das Gebäude mit senkrechten Holzschwertern verkleidet werden. Das passiert nicht zum ersten Mal. Woraus ist das Gebäude gebaut, welches seit 2011 das Boku-Institut für Holzforschung in Tulln beherbergt? Stahlbeton mit Lärchenfassade.

Unvergessen ist auch der Konflikt in Kuchl (s. Link 1). 2003 wurde ein Fünfgeschosser für die Holz-FH-Studiengänge in Stahl und Beton gegossen. Detail am Rande: Dort musste mit 1000 €/m² das Auslangen gefunden werden. Zeit-, Kosten- und Brandschutzauflagen führten damals zu einer Mischbauweise. Dass das der Branche sauer aufstößt, darf nicht aber wundern.

Drei Neubauten für Forst-/Holzstudenten in zehn Jahren - alle drei mit Stahlbeton. Das ist ein Alarmzeichen. Es heißt nämlich, dass sogar die „nachhaltigste Uni im deutschsprachigen Raum“ (Boku laut Greenmetrics-Ranking) hemmungslos auf Baustoffe setzen darf, deren CO2-Bilanz jenseits von Gut und Böse ist. Das ist kein Zufall, sondern Ergebnis einer geschickten Stahl- und Betonlobby.

Die (gern kritisierten) Professoren haben am allerwenigsten Schuld an diesem Zustand. Sie bekommen die Räume schlussendlich auch nur zugewiesen. Woraus Wände und Decken bestehen, entscheiden andere.

Es könnte auch anders gehen. Das beweist die ETH Zürich. Dort wird nicht nur an neuen Holzbauweisen geforscht, sondern auch gleich damit gebaut. Aktuell entsteht dort ein Zubau mit Buchenholz-Beton-Verbunddecken und vorgespanntem Fichten/Eschen-BSH-Tragwerk. Beides sind weltweite Unikate. Studierende sehen, wie solche Innovationen umgesetzt werden. Auf der Boku in Wien kann der Forst- und Holznachwuchs in den Vorlesungspausen dagegen den Beton-Lkw zusehen – sofern die Pläne halten.

Noch ist die Bauweise des neuen Boku-Gebäudes nicht in Beton gegossen. Baubeginn ist frühestens Ende 2015. Vielleicht lässt sich der Investor (der Staat Österreich) noch umstimmen. Eigentlich wäre alles für ein Holzgebäude prädestiniert. Die Planung obliegt einem Vorarlberger Unternehmen (Baumschlager Hutter ZT). Mit modernem Leimholz (BSH, BSP) ist so ein Objekt kein Problem mehr. Und das Budget sollte auch reichen.
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Boku live: Vom Holz hören, im Stahlbau lernen © Erich Tiefenbacher