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Roland Schweitzer gilt als Vater des modernen französischen Holzbaus © Jacob-Freitag

Frankreich baut auf Holz

Ein Artikel von Susanne Jacob-Freitag | 28.04.2014 - 14:56
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Roland Schweitzer gilt als Vater des modernen französischen Holzbaus © Jacob-Freitag

Zum vierten Mal erwies sich das Forum Bois Construction (FBC) als Anziehungspunkt der Holzbaubranche in Frankreich. Die Besucherzahl hat sich über die Jahre stetig erhöht. Diesmal zog das FBC etwa 850 Teilnehmer an. Dies sowie das umfangreiche zweitägige Programm zeigten, dass der Holzbau in Frankreich angekommen ist. Der Kongress richtet sich an alle Bautätigen und Interessierten, die sich über die Entwicklung des Holzbaus in Frankreich und in Europa informieren möchten. Ausgearbeitet haben die Veranstalter das Programm wie im Vorjahr in Kooperation mit der Universität Lothringen/Architekturhochschule in Nancy und der ihr angeschlossenen Holzfachschule ENSTIB in Epinal, dem Forschungsinstitut FCBA in Paris/Bordeaux sowie den regionalen Holzbranchenvertretungen Ostfrankreichs. Als Mitveranstalter traten dieses Jahr erstmals die Technische Universität Graz und die Universität Innsbruck auf.
Das Programm bot Einblicke zum Thema „Bauen in der Region mit Holz aus der Region“ und beleuchtete die wachstumsstärksten Marktsegmente, wie Büro-, Wohnungs-, Siedlungs- und Schulbau. Im Fokus standen auch der mehrgeschossige Holzbau, die energieeffiziente Sanierung der Gebäudehülle und Holz-Beton-Verbundsysteme. Zum ersten Mal ehrte das Forum außerdem einen der namhaften Architekten, die den Holzbau in Frankreich maßgebend vorangetrieben haben: Roland Schweitzer, der als Vater des modernen französischen Holzbaus gilt. Er vertrat schon früh ökologische und solidarische Planungsansätze. Univ.-Prof. Wolfgang Winter von der TU Wien hielt die Laudatio, auf die eine engagierte Werkschau des 89-jährigen Schweitzer folgte, der extra hierfür angereist war.

Holzbau auf nationaler Prioritätenliste

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Die "Cité des Arts" des japanischen Architekten Kengo Kuma wurde vor etwa einem Jahr eröffnet © Jacob-Freitag

Georges-Henri Florentin, Geschäftsführer des FCBA aus Paris, legte dar, dass die Regierung die Holz(bau)branche heute an 14. Stelle der nationalen Prioritätenliste mit 35 Positionen führe. Damit wurde sie offiziell zur Zukunftsbranche erklärt. Frank Mathis, Direktor des Holzbauunternehmens Mathis aus Muttersholtz (Frankreich), klärte darüber auf, dass die Regierung vor allem auf den mehrgeschossigen Holzbau setze, das heißt, auf die Entwicklung von zehn- bzw. 15-geschossigen Gebäuden in Holzbauweise. Auf lange Sicht peile man, wie in Kanada, 30 Geschosse an. Das habe seine Gründe neben dem Umwelt- und Klimaschutz auch in der großen vorhandenen Menge an heimischem Holz sowie im Megatrend zum ökologisch bewussten Bauen.
Christian Piquet, Präsident des Verbands France Bois Région (Berufsverband für die Holzbranche) aus Bayeux, lieferte ein paar Hintergrundinformationen: Obwohl das Bauvolumen rückläufig sei, gebe es dennoch Wachstumsbranchen, wie den Holzbau, der speziell im Wohnbau seine Stärke entwickelt hat. Hier konnte laut Piquet vor allem das mehrgeschossige Bauen mit Holz den Rückgang des Bauvolumens im vergangenen Jahr kompensieren. Der Verbandspräsident bemerkte außerdem: „France Bois Forêt stellt Berater in ganz Frankreich bereit, um die Holzbranche und den Holzbau voranzubringen.“
Gleichzeitig steht die Wende von der fossilen zur ökologischen Energiewirtschaft auf der Agenda der Regierung. Ein gutes Beispiel, wie so etwas aussehen kann, ist das neue siebengeschossige Passivhaus aus Brettsperrholz „Jules Ferry“ in Saint-Dié – auch eines der vorgestellten Projekte des FBC: Hier heizen die Bewohner für 15 € pro Monat. Neben der gesellschaftspolitischen Nachfrage nach solchen Projekten gehe es aber natürlich auch darum, neue Absatzmärkte zu schaffen. Emblematische Gebäude sorgen in jedem Fall für Aufmerksamkeit und hier will Frankreich mitbieten können.

Neue Regelwerke für mehr Energieeffizienz

Themen, wie „Graue Energie“ und die Lebenszyklusanalyse eines Bauwerks, kamen im Tagungsprogramm ebenso vor wie das neue Regelwerk für die Holzbranche „RAGE“ (Règles de l’Art Grenelle Environnement), ein wichtiges Instrument im Umgang mit Holz als konstruktivem Baustoff. Das Interesse daran war so groß, dass die Plätze im zweiten Vortragssaal für den parallel stattfindenden Themenblock nicht ausreichten. Kein Wunder, denn RAGE steht im Zusammenhang mit der Verordnung RT 2012 (einer Art französischen Energieeinsparverordnung). In dem Regelwerk sind ehrgeizige wirtschaftliche und energetische Ziele für Neu- und Bestandsbauten festgelegt, die sich in den neu formulierten Bauregeln der RAGE niederschlagen.

Die ganze Bandbreite des Holzbaus

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Das Weinmuseum in Bordeaux soll an eine Dekantierkaraffe erinnern und 2016 fertiggestellt sein © XTU

Die ersten Projektvorträge zeigten vier außergewöhnliche Bürogebäude: vom neuen Hauptsitz des Technischen Instituts der FCBA namens Cité Descartes in Champs-sur-Marne über „Les Ecossolies“, einen Umbau von drei bestehenden Hallen auf der Ile de Nantes, die zum Teil mit Holzrahmenbau-Modulen als Büroräume bestückt sind, und einem Gebäudeensemble namens „Parc de l’Ensoleillée“ in Aix-en-Provence – es soll das erste Plusenergiegebäude Frankreichs sein – bis hin zu dem noch im Bau befindlichen Konferenzsaal der Organisation OMPI in Genf/CH mit seinen 35 m weit auskragenden Fachwerkträgern, die das Haupttragwerk des asymmetrischen Baukörpers bilden. Neben der Präsentation vieler neuer Schul- und Ausbildungsstätten in Holzbauweise nahm auch der Wohnungs- und Siedlungsbau einen weiteren großen Teil des Programms ein und zeigte, dass sich die öffentliche Hand mehr und mehr dem Holzbau zuwendet. Als Starreferent konnte das FBC den bekannten japanischen Architekten Kengo Kuma von Kengo Kuma & Associates aus Tokyo gewinnen. Er sprach über sein aufsehenerregendes Holzbau-Objekt, die „Cité des Arts“ in Besançon, das fast genau vor einem Jahr eröffnet worden war. Den Abschluss der Veranstaltung krönten der „Pyramidenkogel“ in Kärnten von Rubner Holzbau und das neue Elefantenhaus in Zürich/CH. Ein weiteres Projekt der Extraklasse setzte den Schlusspunkt und gab einen Ausblick auf die Zukunft des französischen Holzbaus: Anouk Legendre von XTU architects aus Paris gab einen Einblick in das im Bau befindliche Weinmuseum „Cité des Civilisations du Vin“ in Bordeaux. Der organisch geformte Baukörper gleicht einer Dekantierkaraffe. Er wird von einer Vielzahl mehrfach gekrümmter Brettschichtholz- bzw. Kerto-Träger gebildet. 2016 soll er fertig sein. Dass Frankreich in Sachen Holzbau stark aufgeholt hat, machte spätestens dieses Projekt klar.