14019798581158.jpg

Nach außen wird das imposante Dach mit zementgebundenen Spanplatten abgeschlossen © Johannes Plackner

Dünne Schale für dicke Häute

Ein Artikel von Hannes Plackner (für Timber-Online bearbeitet | 10.06.2014 - 14:44
14019798651532.jpg

80?m Durchmesser und 18?m Höhe hat die Dachkonstruktion des neuen Züricher Elefantenhauses - die Tragstruktur besteht aus drei Schichten BSP mit je 8?cm Stärke © Johannes Plackner

Ein kleiner Absatz in ihren Standards macht die Schweiz zum Innovationsmotor im Holzbau: „Abweichungen von der vorliegenden Norm sind zulässig, wenn sie durch Theorie oder Versuche ausreichend begründet werden oder neue Entwicklungen und Erkenntnisse das rechtfertigen“, heißt es in den Bauvorschriften. Soll heißen: Wenn neue Produkte auf den Markt kommen oder sich innovative Methoden entwickelt haben, die nachweisbar sicher sind, kann man damit schon bauen. Ein mühsamer Normungsprozess ist nicht nötig, lediglich die Unterschrift eines Ingenieurs. Entsprechend große Verantwortung lastet auf dessen Schultern. Umso wichtiger ist, dass man sich auf die Bauelemente hundertprozentig verlassen kann. Das gilt bei Brettsperrholz-Konstruktionen genauso. Bei den allermeisten Projekten dieser Art ist es ein Klebstoff von Purbond, Sempach-Station/CH, welcher die statische Belastbarkeit gewährleistet. Die Freiheit des Ingenieurs, verbunden mit modernen Klebstoffen, hat die Grenzen den Holzbaus schon mehrmals verschoben. Zuletzt geschah das in Zürich deutlich. Der Holzkurier folgte daher der Einladung von Purbond-Geschäftsführer Walter Stampfli, welcher binnen weniger Stunden zwei der innovativsten Holzbauprojekte der Welt vorstellte, die beide seinen PUR-Leim einsetzten.

Erste tragende Schale aus BSP

14019798581158.jpg

Nach außen wird das imposante Dach mit zementgebundenen Spanplatten abgeschlossen © Johannes Plackner

Station 1 ist das neue Wahrzeichen des Züricher Zoos, das Elefantenhaus. Das liegt nur zum Teil an den Dickhäutern. Für Ingenieure ist das weltweit einmalige Dachtragwerk mindestens ebenso interessant. Erstmals wurde Brettsperrholz in diesem Ausmaß als statisch tragende Schale verbaut. Die kuppelförmige Konstruktion besteht aus drei Schichten von jeweils dreilagigem Brettsperrholz. In der Längsachse werden auf diese Weise 80 m überspannt. Von den 600 vorgefertigten Einzelbauteilen gleicht keines dem anderen. Die Vegetation und der Stoffwechsel der Elefanten machten zudem einen hohen Lichteinfall (30 bis 35 %) nötig. Dazu besitzt das 1,4 ha große Dach 271 unregelmäßige Lichtöffnungen. Es sieht aus wie ein überdimensionales Blätterdach. Der Entwurf stammt vom Zürcher Architekturbüro Markus Schietsch. Die Statik berechnete das Büro Walt+Galmarini, ebenfalls aus Zürich. Federführend bei den Berechnungen war Wolfram Kübler. Den Planungsaufwand genau nachzuvollziehen, geht an dieser Stelle zu weit. Kübler nennt Schlagworte, wie „parametrische Planung“, „geome-trische Singularitäten“, und „digitales Aufblasen nach dem Prinzip Isler“. Anm. d. Red.: Küblers Vortrag zu der Planung ist auf der Website des Forum Holzbau runterzuladen.

In Aichach vorgefertigt

14019798725866.jpg

Für die Elementierung der BSP-Elemente wurde das Dach in Streifen geschnitten und flachgedrückt © Johannes Plackner

Als die Ingenieure die 3D-Dachform fertig geplant hatten, ging es an den Holzbau. Um das 18 m hohe Dach auf über 600 Elemente aufzuteilen, wurde es virtuell in 3,5 m lange Streifen geschnitten und flachgedrückt. Diese Streifen waren die Blaupause, nach welcher der Leimholzlieferant (Merk Timber, Aichach, damals noch Metsä Wood) die BSP-Platten herstellte.
Der bayerische Betrieb wurde unter anderem ausgewählt, weil er gekrümmte Elemente herstellen kann. Das traf jene 15 % der Dachfläche, deren Krümmungsradius unter 50 m betrug. Alle anderen wurden als ebene Flächen geliefert und erst auf der Baustelle zurechtgebogen. Dazu produzierte Merk 8 cm starke BSP-Elemente, deren Mittelschicht nur gut 1 cm stark war. Die Krümmung war für die Elemente kein Problem. Der Purbond-HB S-Leim hielt dieser Belastung problemlos stand, erfuhr man bei der Baustellenbegehung.
Die Elemente wurden auf einem Lehrgerüst positioniert. Diese Elemente der ersten Schicht waren nur formatiert. Die Lichteinlässe wurden erst auf der Baustelle angefertigt. So bildete sich zunächst eine geschlossene Kuppel. Die beiden weiteren Schichten wurden jeweils im 60°-Winkel aufgelegt und mit Nägeln befestigt. 100 Nägel pro Quadratmeter waren notwendig. Das ergibt in Summe rund 1,4 Millionen Nägel. Die letzte Schicht wurde schon inklusive Lichtöffnungen geliefert. Anhand derer stemmten die Arbeiter die unteren Schichten mit Handwerkzeugen durch.
Bemerkenswert ist der „Ringbalken“. Entlang des Umfangs wurde ein Streifen Beton auf die Holzkonstruktion aufgegossen. Das hilft, die enormen Widerlagerkräfte (bis zu 500 t) ins Dach einzuleiten.
Wer in der Nähe ist, sollte sich diesen Bau keinesfalls entgehen lassen. Eröffnet wird er am 7. Juni.

Vorgespannte BSH-Konstruktion

14019798706415.jpg

Laubholznutzung der Zukunft? Es wird mit Eschen-BSH und PUR-Klebstoff experimentiert © Johannes Plackner

Wer dann schon in Zürich ist, sollte eventuell Univ.-Prof. Andrea Frangi besuchen. Denn das Technikum des Holzbauforschers an der ETH-Zürich gleicht einem Wunderland für Leimholzhersteller. Der gebürtige Tessiner ermittelt die Leistungsfähigkeit von Laubleimholz –und zwar nicht nur theoretisch, sondern im Vollmaßstab. Gegenwärtig wird ein viergeschossiger Erweiterungsbau der ETH, das House of Natural Resources, errichtet. Dieses enthält gleich zwei Weltneuheiten:
eine Tragkonstruktion aus vorgespannten Hybridleimbindern (Esche/Fichte) in grobmaschigem Holzskelettbau
eine Deckenkonstruktion aus Holz-Beton-Verbundbauweise mit 4 cm starkem Buchenfurnierschichtholz (Pollmeiers Baubuche)

700 kN im Innenseil

14019798628599.jpg

Univ.-Prof. Andrea Frangi erklärt die Konstruktionsweise des "ETH-House of Natural Resources" © Johannes Plackner

Der Rohbau wurde erst wenige Tage vor dem Holzkurier-Besuch fertiggestellt (s. Baustellenbilder unten). Die Biegeträger bestehen aus Fichtenleimholz, welches auf der Zugseite mit vier Lagen Esche verstärkt wurde. Die Leimholzstützen sind komplett aus Esche aufgebaut. Wieder lieferte Purbond den Klebstoff. Hergestellt wurden die Binder vom Projektpartner Häring in Burgdorf/CH.
Clou des Systems ist die Vorspannung. Im Herzen der Balken läuft ein Stahlseil mit 70 kN Spannung quer durch das ganze Gebäude. Die Eschenstirnseiten der Querträger werden dermaßen fest in speziell ausgeformte Stütztaschen gepresst, dass keine weiteren Verbindungsmittel notwendig sind. Vor allem für Erdbebengebiete könnte so eine Konstruktionsweise sehr interessant sein, hieß es. Der Aufbau ist übrigens denkbar einfach: „Wie Lego“, sagt Frangi mit Augenzwinkern. Natürlich steht diese Konstruktionsart in keiner Norm (ebenso wenig wie jene des Elefantenhauses). Aber der Holzbauprofessor übernahm selbst die Verantwortung. Um die Gebrauchstauglichkeit langfristig beweisen zu können, wird der Bau mit Sensoren überwacht. Kraftmessdosen melden beispielsweise die Spannung im Seil. An mehreren Stellen der Bu-BSH-Betondecke wird die Durchbiegung gemessen.
Fazit: Die Exkursion nach Zürich bewies, dass die Schweiz bei Holzbauinnovationen ganz vorne dabei ist. Und das gilt in gleichem Maße auch für Purbond.H

Purbond

Gründung: 2003, seit 2011 selbstständige Business-Unit innerhalb Henkel Industrieklebstoffe
Technologiepartner: Bayer Materialscience
Produktion: Sempach/CH, Bopfingen/DE
Geschäftsführer: Walter Stampfli
Tätigkeiten: Entwicklung von Klebstoffen und Anwendungstechnik, Kundenberatung
Auszeichnungen: Holzkurier-Holzbauausstatter des Jahres 2013, Wilhelm-Klauditz-Preis 2012