14211497739114.jpg

Ein Teil des Timbertec-Teams © Timbertec

Die Planung beginnt hinten

Ein Artikel von Hannes Plackner (für Timber-Online bearbeitet) | 14.01.2015 - 14:42
14212433548978.jpg

Und darum geht"s im Endeffekt: tadelloses, hochwertiges Brettschichtholz © Weinberger

In Abtenau arbeitet Österreichs modernste BSH-Produktion. Regelmäßig werden Lkw mit rotbraunen Paketen und dem Logo von Weinberger Holz befüllt. Fast jede Ladung ist anders, denn Listenfertigung setzt sich auch in der BSH-Branche durch. Kunden bestellen das, was sie brauchen. Ein Auftrag besteht etwa aus einem halben Lkw mit 12 mal 32er-Unterzügen und fünf Pfetten, die alle andere Querschnitte haben. Dazu kommen höhere Ansprüche an die Qualität. Weinberger hat dafür eine eigene Topsortierung (Fichte alpin), bei der nur Filetstücke in die Decklagen kommen. Klingt alles schön und gut. Doch damit diese Versprechen aber im Industriealltag umgesetzt werden, braucht es dreierlei:
    ein Management, das Kundenorientierung lebt und einfordertMaschinen, welche die Produkte automatisiert erzeugen könnenein Steuerungssystem, welches den Überblick über die Anlagen behält
Wir haben es mit einem Produktionsablauf zu tun, welchen der Fachmann „flexibles Fertigungssystem“ nennt. Der Wikipedia-Eintrag definiert dieses als „Mehrmaschinensystem zur spanenden Bearbeitung von Werkstücken“, wobei simultane Abläufe koordiniert werden. Das System muss fehlerfrei arbeiten und optimierbar bleiben. Um all das zu gewährleisten, griff Weinberger Holz erneut auf einen Spezialisten für Warenwirtschaftsprogramme in der Holzindustrie zurück: den norddeutschen 60 Mitarbeiter-Betrieb Timbertec, Eutin.

Am Anfang steht der Auftrag

14211497705521.jpg

Arbeitsoberfläche von Timbertecs ERP-Programm Timber Commerce © Timbertec

Der Kunde bestellt per Fax oder Mail. Damit wird der Auftrag in Timbertecs ERP-Software Timber Commerce erfasst. Das System reserviert sofort Rohware und Produktionskapazitäten. Nach Rückbestätigung vom Kunden werden Pakete virtuell geplant und Längen optimiert. Vor Produktionsstart werden Pressaufträge für die Produktion erstellt. Dank umfangreicher Stammdaten sind alle Maschinenparameter berücksichtigt. Die Produktion beginnt mit getrockneter Rohware, die im ERP paketweise geführt wird. Sie wird vereinzelt der Beurteilungskaskade mit Feuchtescanner und Multisensorgerät zugeführt. Dabei können mehrere Qualitäten auf einem Stück Holz vereint sein. Es folgt ein dreietagiges Pufferlager. Von dort fließt ein Holzstrom zur Optimierkappsäge. Aus der Rohware entstehen Stücke mit uniformer Qualität. Zwei Grecon-Keilzinkenanlagen erzeugen die Endloslamellen laut Leitsystemvorgabe. Eine ist für Decklagen bestimmt, die zweite für Mittellagen. Der Auftragsrechner lenkt die Hölzer entsprechend ihrer Qualität. Wird wenig Sichtoberfläche benötigt (etwa bei hohen Querschnitten), kann die Decklagenlinie mit Mittellagen beaufschlagt werden. Gegebenenfalls wird in Losgröße 1 produziert. Die Lamelle wird auf maximal 18 m abgekappt und zum fünfetagigen Aushärte- und Vorkommissionierlager geschickt. Daraus holt sich die Anlage jene Lamellen, welche für den jeweiligen Binderquerschnitt nötig sind. Für Nachbestellungen nötige „Reparaturlamellen“ gibt es eine Überholmöglichkeit.
Eine Besonderheit ist, dass nach dem Aushärten ein weiteres Querlager befüllt wird. Das entkoppelt die Prozesse. Im Querlager liegen Deck- und Mittellamellen noch in unterschiedlichen Etagen. Von dort werden sie gemäß Binderaufbau, gegebenenfalls mit Reparaturlamellen, abgezogen. Nach dem Hobeln kommen sie in ein Querlager, welches alle fertigen Lamellen für eine Pressladung enthält.
Erst wenn alle Lamellen bereitliegen, gibt es die Freigabe. Dann wird formaldehydfreier Klebstoff aufgetragen und es geht ab in die Rotationspresse. Die Geometrie der Stempel und Anschläge wurde bereits in der Arbeitsvorbereitung berücksichtigt. Beleimungsparameter, Presszeit und Temperatur werden von Timbertec protokolliert. Das System verfügt somit über ein normgemäßes Leimbuch.
In der Zuführung zur Kappsäge optimiert das System den Ablauf durch das Mehrfachkappen bei gleichen Bindern. Abschließend wird die Oberfläche gehobelt, geflickt und etikettiert. Angaben zu Qualität, Kunde und Strichcode liefert der Leitrechner.

Wer rechnet, spart Platz und Geld

Die Daten zu Rohwareneinsatz und Fertigstellung fließen in das Warenwirtschaftsprogramm Timber Commerce. Das Management benutzt dieses, um den Ressourcen-einsatz im täglichen Betrieb zu planen. Es ermöglicht auch spezifische Analysen zu Produktionsmengen, Aufwand und Auslastung. Weinberger Holz kann etwa auswerten, bei welchem Rohwarenlieferanten am meisten „Alpinqualität“ herauskommt und wessen Ware unter dem Durchschnitt liegt.
Verglichen mit anderen Listenproduzenten, ist Weinbergers Produktion kompakt. Trotzdem wird ein Sortiment mit Abertausenden Produkten erzeugt. Das funktioniert, weil die Aufträge so gereiht werden, dass die BSH-Binder in der Befüllfolge des Lkw aus der Produktion kommen.
Hier sind keine Fehler erlaubt: „Es muss perfekt kommissioniert werden“, verlangt Geschäftsführer Johann Alfred Weinberger. Die ERP-Software und das Leitrechnersystem sind in diesem Zusammenhang kritisch. Erfolgreiche Referenzen überzeugten. Die Umsetzung war für Timbertec fast schon Routine. Das Werk stand nach einem Brand ein halbes Jahr lang still. Dass die Eutiner im nahen Saalfelden einen Servicetechniker stationiert haben, erleichtert die Betreuung ebenfalls. Eines freut Timbertec-Geschäftsführer Andreas Boll besonders: „Erstmals haben wir in Österreich nicht nur Timber Commerce installiert, sondern auch den Leitrechner.“ Diese individuelle Maschinenanbindungen und Prozessoptimierungen machen 30 % von Timbertecs Umsatz aus. „Die Kunden schätzen die Lieferung aus einer Hand und unsere Anlagenungebundenheit“, erzählt Boll.

Weinberger Holz – Facts

Standorte: Reichenfels, Abtenau
Geschäftsführung: Johann Josef und Johann Alfred Weinberger
Mitarbeiter: 86
Produkte: Brettschichtholz, Bilam- und Trilamträger, Duokonstruktionsholz, Deckenelemente, Blockhausbohlen, setzungsfreie Blockhausbohle „Bilam forte“, Massivholzsystem „Primolam“

Keine Unbekannten

Weinberger kennt Timbertec schon seit 2001. Im Stammwerk Reichenfels wurde das Vorgängersystem angeschafft. Die spezifisch angepassten Module umfassen beispielsweise ein Leimholz-Planungswerkzeug und die BSH-Arbeitsvorbereitung. Der Server für Arbeitsvorbereitung und Auftragsverwaltung befindet sich in Reichenfels. Die Abtenauer Dependance greift per Remotedesktop zu. Produktionsdaten vom Leitrechner werden lokal verwaltet. Das macht von der Internetverbindung unabhängig.
Begonnen wird mit der Paketplanung, also der Lkw-Beladung. Von dort rechnet Timber Commerce rückwärts, bis eine Schicht durchgeplant ist. „Das Schwierigste ist es, flexibel zu bleiben“, so Boll. Den Leistungsumfang seines Systems beschreibt er mit: „Vom Angebot bis zur Rechnung und vom Einkauf bis zur Produktauslieferung.“ Timber Commerce integriert alles in eine Datenbank.

15 Jahre Holz-EDV aus dem hohen Norden

14211497739114.jpg

Ein Teil des Timbertec-Teams © Timbertec

Ein Jubiläum wurde im vergangenen Herbst in Eutin gefeiert. Am 5. Oktober 2014 wurde Timbertec 15 Jahre alt. Angefangen hatte es 1999 mit der Idee, Spezialsoftware für die Optimierung in der Produktion zu entwickeln. Erstes Produkt war eine Lösung der Zuschnitt- und Produktionsplanung für kommissionsweises Leimholz. Das stellte sich als Turbo für das junge Unternehmen heraus. 2002 folgte die Entscheidung, sich als Komplettanbieter aufzustellen. Dafür musste ein Nachfolger des erfolgreichen Produkts „Lignum Handel“ programmiert werden. „Timber Commerce“ wurde geboren. Es verfolgte die damals innovative Philosophie, alle Prozesse der Holzindustrie und des Holzhandels in einer Datenbank und einer Oberfläche abzubilden. Heute ist Timber Commerce eine erfolgreiche durchgängige Softwarelösung vom Rundholzeinkauf bis zum BSH. Im Laufe der Zeit hat sich das Schleswig-Holsteiner Unternehmen zum Marktführer entwickelt. Über 200 Unternehmen europaweit vertrauen auf seine Software. Timber Commerce wird in 15 Sprachen verwendet. Was mit zwei jungen Ingenieuren (An- dreas Boll und Frank Ridder, die beide heute noch verantwortlich sind) begann, wurde zu einem Unternehmen mit über 60 Mitarbeitern. 2014 war ein Jahr des Wachstums. Das spiegelt sich auch im Platzangebot wider. Timbertec steht kurz vor der Fertigstellung eines Zubaus in Eutin. Damit steht einer weiteren Expansion nichts entgegen.
14212433534110.jpg

Jeder Querschnitt anders: Die Rotationspresse beherrscht Losgröße?1-Fertigung © Plackner

14212433579860.jpg

Der Leitrechner steuert simultan zwei Keilzinkenanlagen für Mittel- (1) und Decklagen (2) © Plackner

14212433565662.jpg

Kompakt, flexibel und hochwertig: die BSH-Produktion von Weinberger Holz in Abtenau © Weinberger