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Geschäftige Baustelle © Dietger Wissounig Architekten

Die Holzheimat

Ein Artikel von Hannes Plackner (für Timber-Online bearbeitet) | 23.04.2014 - 06:41
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Das Seniorenwohnheim am Abend © Dietger Wissounig Architekten

Wohlfühlen im hohen Alter steht im Mittelpunkt des neuen Seniorenwohnhauses „Peter Rosegger“ in Graz. Architekt Dietger Wissounig wählte teils sichtbares Holz als Baumaterial von Innenwänden und Decken. Die Kombination aus hohem Vorfertigungsgrad und leichter Bauweise sowie die Raumatmosphäre gab den Ausschlag. Die Senioren leben in acht Wohngruppen zu je 13 Zimmern. Ein 90 m2 großer Hausgemeinschaftsbereich nebst Atrium bringt Freiraum im Objekt. Draußen warten ein Gemüse- und ein Jahreszeitgarten, die auf die Bedürfnisse dementer Menschen ausgelegt sind.

Die Jury des Architekturwettbewerbs lobte unter anderem die „einfache, aber raffinierte Raumgeometrie“ und das „sehr wirtschaftliche Gesamtkonzept“. Einmal mehr ist damit bewiesen, dass qualitativ hochwertiger (Kommunal-)Bau nicht teuer sein muss – wenn er in Holz ausgeführt wird.

Gut 100 Bewohner finden künftig in den beiden Obergeschossen aus Brettsperrholz eine neue Heimat. Die Bruttogeschossfläche beträgt in beiden Stockwerken rund 6100 m2.

Steirische Teamarbeit

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Die edle Holzkonstruktion im Seniorenwohnheim bleibt zum Teil sichtbar © Dietger Wissounig Architekten

Die Innenwände sowie die Zwischendecke und das begrünte Flachdach beinhalten Brettsperrholz. In Summe wurden 1400 m3 MM crosslam verbaut. So nennt der Holzkonzern Mayr-Melnhof, Leoben, seine Massivholzplatten. Erzeugt wurden sie in Gaishorn. Von dort gingen die abgebundenen Wandelemente direkt auf die Baustelle. Dach- und Deckenplatten machten zunächst einen Abstecher nach Weiz. Dort versah sie das ausführende Bauunternehmen Strobl mit BSH-Unterzügen und sie kamen als vorgefertigte Rippendecken nach Graz.

Der Großteil der Wände ist aus Brand- und Schallschutzgründen beplankt. Teile der Holzkonstruktion bleiben aber sichtbar. Solche Wände wurden von Mayr-Melnhof mit einer doppelten horizontalen Deckschicht geliefert.

Bei den beplankten Wänden kam dreischichtiges Brettsperrholz zum Einsatz. Dach und Decke bestehen – je nach statischer Beanspruchung – aus fünf oder sieben Schichten. Welcher Aufbau der richtige ist, wurde im Team von Architekt, Bauherr, Statiker und BSP-Hersteller ausgearbeitet. Projektbetreuer Alan Hofmann von Mayr-Melnhof lobt stellvertretend die Zusammenarbeit: „Das Projekt lief perfekt ab.“

Passivhaus mit Fotovoltaik

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Geschäftige Baustelle © Dietger Wissounig Architekten

Die nachhaltige Massivholzbauweise mit lokalem BSP setzt sich im Energiekonzept fort. Eine Fotovoltaikanlage am Dach erzeugt Ökostrom. Die 55 bis 65 cm starken Außenwände im Holzriegelbau haben einen U-Wert von 0,102 W/m2?K beziehungsweise 0,115 W/m2?K. Damit erfüllt das hölzerne Pflegeheim den Passivhausstandard. Nach außen hin schließt die Fassade mit edler Lärchenschalung ab.

Auf jenen Dachflächen, die nicht mit Fotovoltaikplatten belegt sind, haben die Architekten eine Begrünung vorgesehen. Die sitzt auf einer 10 cm starken Vegetations-, Filter und Drainageschicht. Darunter liegen Speicherelemente, welche je Quadratmeter bis zu 15 l Wasser vorhalten. Eine 2 mm starke Dachabdichtung inklusive Trenn- und Gleitfolie sorgt dafür, dass die Feuchtigkeit draußen bleibt. Es folgen zwei Dämmschichten aus Steinwolle (12 cm Gefälledämmung, 22 cm Wärmedämmung). Die liegen auf einer selbstklebenden Dampfsperre, welche vor Ort auf die 14 cm starken BSP-Platten aufgebracht worden ist.

Nach unten bleibt das Fichtenholz der Dachkonstruktion sichtbar. Mayr-Melnhof versah diese Elemente mit einer gehobelten und geschliffenen Oberfläche.

Wohnen wie daheim

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Rendering des fertigen Gebäudes © Dietger Wissounig Architekten

Die hölzerne Anmutung erzeugt bei geschickter Verwendung ein heimeliges Gefühl, ohne ins Rustikale abzudriften. Das wurde von den Gestaltern vorbildhaft umgesetzt. Architekt Wissounig sagt: „Der Baukörper des Pflegeheimes verrät die innere Gliederung in vier Hausgemeinschaften um einen zentralen Platz. Dadurch entsteht der Charakter einer familienähnlichen Gemeinschaft. Dimensionen, Proportionen und Detailausbildungen mit warmen Holzelementen schaffen eine Atmosphäre des Zuhauseseins.“ Laut Wissounig kommt der moderne Holzbau langsam an, wo er hingehört: „Das ist, wo sich seine technischen und wirtschaftlichen Vorzüge mit den unbestrittenen raumatmosphärischen Qualitäten verbinden.“ Es gebe aktuell keine Bauweise, die mit höherer Vorfertigung und damit einhergehender Präzision arbeiten kann, lobt der Architekt, der schon mehrere Altenwohnheime in Holzbauweise entworfen hat.

Dass die Steiermark im Massivholzbau eine führende Rolle spielt, erklärt sich Wissounig „aus der nahtlosen Kette von Rohstoffverarbeitung bis zum technisch richtig geplanten Gebäude“.

Rosegger – wie passend!

Wohl unbeabsichtigt passt auch der Name des Wohnheims „Peter Rosegger“ zur Bauweise. Denn der steirische Waldbauernbub und spätere Literat fühlte sich zeitlebens zum Holz hingezogen. Als es ihm sein Erfolg erlaubte, zog er nach Krieglach in seine „Waldheimat“. Die Bewohner des Seniorenheims tun es ihm eineinhalb Jahrhunderte später mit ihrer „Holzheimat“ gleich.

Pflegewohnheim Peter Rosegger in Graz – Facts

Bauträger: ENW Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft, Graz
Architekt: Dietger Wissounig Architekten, Graz
Zivilingenieur: Josef Koppelhuber, Rottenmann
Bauunternehmen: Strobl, Weiz
Brettsperrholz: 1400 m3 von Mayr-Melnhof Holz, Gaishorn