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Rundholzplatz von Egger in Brilon: Von jedem Stamm kennt man jetzt mehrere Holzmerkmale © Egger

Der gläserne Stamm

Ein Artikel von Martina Nöstler | 19.05.2014 - 17:07
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Rundholzplatz von Egger in Brilon: Von jedem Stamm kennt man jetzt mehrere Holzmerkmale © Egger

Wie schaut mein Stamm wirklich aus? Ist er hinsichtlich der Qualität so gut, wie es von außen scheint? Wie kann man mehr herausholen? In Zeiten des knapp verfügbaren Rundholzes beziehungsweiser hoher Rohstoffpreise gilt es, das Beste aus jedem Stück zu schneiden. Beim Egger Sägewerk Brilon erkannte man vor über zwei Jahren die Chance der neuen Technik „Röntgenscannen beim Rundholz“. Damit wird es möglich, schon am Rundholzplatz den Stamm genau zu beurteilen. Auch bei angespannter Wirtschaftslage schaut Egger nach vorne und investiert in technische Weiterentwicklungen.

Referenzanlagen überzeugten

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Lieferanten und Kunde: Thomas Fehr (Jörg Elektronik), Dr. Antti Kari (Bintec), Udo Hörnchen und Alexander Gebele (Holtec) mit Leo Atschreiter (Egger) (v. li.) © Martina Nöstler

Der Mechanisierungsspezialist für Rundholz – Holtec aus Hellenthal/DE – zeigte auf der Ligna 2011 in Kooperation mit dem finnischen Hersteller Bintec sowie Jörg Elektronik, Oberstaufen/DE, einen Röntgenscanner, der in Finnland bereits in einigen Großsägewerken erfolgreich in Betrieb ist. „Wir haben uns den Scanner in der Produktion angesehen. Die Technik hat überzeugt“, erklärt Leopold Atschreiter. Er war vor sieben Jahren federführend für den technischen Aufbau des Sägewerkes in Brilon verantwortlich und ist mittlerweile in das Projektmanagement bei Egger in St. Johann gewechselt. Holtec war gemeinsam mit Jörg Elektronik am Bau des Rundholzplatzes 2007 beteiligt. Aufgrund der langjährigen Zusammenarbeit fiel die Entscheidung auf Holtec.

Im November 2012 war es dann so weit: Der Röntgenscanner Wood-X wurde in den bestehenden Rundholzplatz in Brilon integriert. An vier Wochenenden wurde umgebaut, um die Stillstandszeiten so gering wie möglich zu halten. Die Strahlenschutzabnahme erfolgte noch vor Weihnachten. Seit Anfang 2013 ist der Wood-X jetzt auch in Deutschland im Einsatz. Seitdem werden fleißig Daten gesammelt. „Die Testergebnisse einzelner Kriterien bezüglich der Wiederholgenauigkeit sind erstaunlich“, urteilt Atschreiter.

Für die Abwicklung waren drei Unternehmen zuständig: Holtec war der Vertragspartner und Systemintegrator. Von Bintec stammt der Röntgenscanner samt Energieversorgung. Jörg Elektronik verarbeitet die gesammelten Daten und optimiert diese bei Kurz- und Langholz.

Der Ablauf

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Grafische Darstellung der Installation bei Egger: Zuführung von der Rundholzaufgabe (1), Röntgenquelle (2), Schutztunnel (3) © Holtec

Egger verfügt am Rundholzplatz über zwei Kurzholzaufgaben (3 bis 5 m) sowie eine für Langholz (6 bis 21 m). Die Stämme passieren am Sortierstrang die bereits vorhandene 3D-Vermessung von Jörg Elektronik. Unmittelbar im Anschluss wurde die Kabine mit dem Röntgenscanner errichtet. „Für die Anlage ist eine Einbaulänge von rund 15 m bei 5 m langen Stämmen ideal“, informiert Holtec-Geschäftsführer Alexander Gebele. Aufgrund der vorhandenen Bedingungen musste man in Brilon mit etwas weniger Platz auskommen. Durch die intensive Vorbereitung stellte dies für die Techniker aber kein Problem dar.

Von außen betrachtet, erscheint der graue Container sehr unscheinbar. Auch der Wood-X selbst wirkt auf den ersten Blick eher unspektakulär: Der Blockzug, zum Schutz mit einem Stahltunnel umhaust, führt durch eine Kabine. Diese wurde aus Strahlenschutzgründen mit Blei ummantelt. Holtec musste den Förderer teilen, um eine Messung in vier Ebenen zu ermöglichen. Um den Tunnel herum wurden die vier eigentlichen Röntgenquellen installiert. „Wir haben bei der Planung besonders darauf geachtet, dass rund um den Tunnel beziehungsweise den Wood-X genug Platz ist, um eventuelle Instandhaltungsmaßnahmen problemlos durchführen zu können“, informiert Holtec-Projektleiter Udo Hörnchen. Zudem ist im Dach eine Luke eingebaut, damit ein Kran schwere Teile aus- und einheben kann.
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Kraftquelle: Bintec lieferte die 250?kV starke Energiequelle für den Wood-X © Martina Nöstler

Der Vorschub am Entrinder liegt bei 160 m/min. Und genau diese Geschwindigkeit sollte auch mit dem Wood-X möglich sein. Der technische Part konnte ohne Probleme abgewickelt und auch die seitens Holtec garantierte Vorschubgeschwindigkeit von 170 m/min im Egger Sägewerk eingehalten werden. „Der Röntgenscanner arbeitet in Finnland auch mit Vorschüben bis 200 m/min bei einem Rundholzdurchmesser von 50 cm“, erzählt Bintec-Geschäftsführer Dr. Antti Kari. Aufgrund des Vorschubs und der Messrate ergibt sich bei Egger eine Sequenz von einem Bild pro 2 mm. Daraus setzt die Datenverarbeitung ein entsprechendes Bild pro Stamm zusammen.

Egger entschied sich mit dem Wood-X CT-4D für vier Röntgenebenen. Diese sind fix montiert, drehen sich also nicht um den Stamm. Laut Bintec ist dieses Verfahren für die raue Umgebung am Rundholzplatz das bessere System. „Mit den vier Ebenen wird beispielsweise ein Ast in der Stammlänge genau erkannt, aber nicht in der Achse. Das ist für uns nicht entscheidend“, berichtet Atschreiter und räumt ein: „Wir werden die Daten vorerst nicht für die Eindrehung in der Sägelinie verwenden.“ „Unser Motto lautet: ,so viel wie nötig – und nicht, so viel wie möglich‘. Sonst kommt eine Unmenge an Daten zusammen, die man kaum verarbeiten kann“, ergänzt Gebele.

Kniffelige Datenverarbeitung

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Vier Röntgenquellen nehmen im Egger Sägewerk das Rundholz unter die Lupe © Martina Nöstler

„Die Herausforderung war bei uns, dass wir mehr Holzmerkmale detektieren wollen, als es bei den bestehenden Anlagen von Bintec der Fall ist“, berichtet der Egger-Projektleiter. Das heißt: In Finnland interessieren meist nur die Astigkeit und der Durchmesser ohne Rinde. In Brilon kommen aber beispielsweise noch Rotfäule, Jahrringbreite und Dichte hinzu. An Jörg Elektronik liegt es nun, die gemessenen Daten in eine „saubere Form“ zu bringen, denn die Messungen von einem Stamm ergeben Zahlen für mehrere DIN-A4-Seiten mit zig Spalten und Zeilen. „Wir fassen die Informationen von jedem Stamm in einer Zeile zusammen. Diese wird bei Egger im SAP-System gespeichert“, führt Jörg Elektronik-Geschäftsführer Thomas Fehr aus. Damit gibt es bei Egger für jeden Stamm eine genaue Aufzeichnung. „Die jüngsten Testläufe zeigten, dass der Wood-X so gut wie keine Messungenauigkeiten aufweist“, sind alle Beteiligten zufrieden.

Die Investitionssumme für einen Wood-X beziffert Gebele mit rund 1,7 Mio. €. „Der Return-on-Investment kommt in erster Linie aus dem zielgerichteten Einschnitt. Es können Sortimente mit höherem Erlös bereits am Rundholzplatz passend sortiert werden“, informiert der Holtec-Geschäftsführer.

Gemeinsam mit dem Vertrieb versucht man jetzt bei Egger, neue Produkte, Absatzwege und Märkte zu generieren. Künftig sollte der Ablauf so sein: Der Kunde bestellt ein bestimmtes hochwertiges Produkt, die Auftragsvorbereitung gibt die entsprechenden Kriterien an den Rundholzplatz weiter. Dort wird dann das passende Holz aussortiert und gelangt zum Einschnitt. Somit können kundenspezifische Anforderungen nun auch in qualitativ hochwertigen Produkten umgesetzt werden. Bis es so weit sei, werde es aber noch einige Monate dauern, schätzt Atschreiter. Immerhin gelangen beim Sägewerk Egger jährlich an die 650.000 fm im Zweischichtbetrieb zum Einschnitt.
Mit der Investition in den ersten Wood-X in Deutschland ist die Egger-Gruppe seiner Vorreiterrolle bei Innovationen treu geblieben und dem Unternehmensmotto „Mehr aus Holz“ auf alle Fälle gerecht geworden.

Egger Sägewerk Brilon

Werksleitung: Paul Lingemann, Hubertus Becker, Christoph Paul
Mitarbeiter: 143
Einschnitt: 650.000 fm/J
Produkte: Rohlamellen für BSH, KVH, Duo-/Triobalken; Dachlatten; Studs; Rohmaterial: für Posts und Beams, Vollholzplatten, Hobel- und Profilware; Gerüstdielen; Verpackungsware; Kantholz
Absatz: weltweit