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Jürgen Vocke, Präsident des bayerischen Jagdverbands, mit seinem Hund Rissa © Bayerischer Jagdverband

Den richtigen Ausgleich finden

Ein Artikel von Prof. Dr. Jürgen Vocke | 12.06.2012 - 09:59
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Jürgen Vocke, Präsident des bayerischen Jagdverbands, mit seinem Hund Rissa © Bayerischer Jagdverband

Welche Bilder haben die Menschen vor Augen, wenn sie vom Wald reden? Sie denken an romantische Landschaften mit Laub- und Nadelbäumen und im gleichen Moment an Reh und Hirsch. Und das mit Recht, denn der Wald ist wichtiger Lebensraum für unsere Wildtiere. „Die frei lebende Tierwelt ist wesentlicher Bestandteil der heimischen Natur. Sie ist als Teil des natürlichen Wirkungsgefüges in ihrer Vielfalt zu bewahren“, heißt es im bayerischen Jagdgesetz.
Doch einige Waldbesitzer befürchten, dass ihnen die Wildtiere ihren Wald im wahrsten Sinne des Wortes „auffressen“. Der nur in Bayern im Waldgesetz verankerte Programmsatz „Wald vor Wild“ wird für manchen zum Dogma und das Rehwild zum Sündenbock für die waldbaulichen Schwierigkeiten. Meine Erfahrung sagt mir: Werden das waldbauliche und das jagdliche Konzept optimal aufeinander abgestimmt, kann ein guter Wildbestand keinen Schaden anrichten. Dort, wo Waldbesitzer und Jäger gemeinsam Verantwortung übernehmen und im Dialog das waldbauliche und jagdliche Ziel verfolgen, wird es auch erreicht.
Ich kenne keinen engagierten Jäger, der sich schlüssigen waldbaulichen Argumenten verschließt und zuschaut, wie die natürliche Verjüngung des Waldes in seinem Revier zugrunde geht. Und warum sollte ein Waldbauer kein Verständnis dafür haben, wenn der Jäger an bestimmten Stellen im Revier Wildäcker und Äsungsstreifen anlegen oder im Winter Fütterungen einrichten will, um dem Schalenwild über die schneereiche Jahreszeit zu helfen?
Der Waldbesitzer weiß, dass die Voraussetzung für ein erfolgreiches Wirtschaften ein korrektes, waldbauliches Vorgehen ist. Er weiß, dass er die Wälder regelmäßig – dem Bestand angepasst – durchforsten muss. Er kennt die Grundregel, dass er dem Wild Lebensräume, wie Wildäcker und Wildwiesen, anbieten muss, will er den Verbiss reduzieren. Die standortgemäße, natürliche Verjüngung der vorhandenen Baumarten sollte im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen hochkommen, in Kulturen aber ist Verbissschutz unerlässlich, weil „fremde Pflanzen“ das heimische Rehwild geradezu magisch anziehen.

Zu hoher Jagddruck verursacht Waldschäden

Keine Frage, die richtige Jagdstrategie gehört auch dazu, wenn nachhaltige Forstwirtschaft gelingen soll. Das heißt, die Jagdeinrichtungen müssen dort stehen, wo mit höherem Verbiss zu rechnen oder der Verbiss an den jungen Pflanzen bereits zu sehen ist. Das heißt aber nicht, dass dort ein „Dauerfeuer“ auf das Wild eröffnet werden muss. Im Gegenteil, ein zu hoher Jagddruck verursacht Waldschäden. Traut das Wild sich nicht mehr aus den Dickungen und Naturverjüngungen, richtet es dort Schaden an.
So weit können Jäger und Waldbesitzer in Bayern in ihrem Tun nicht auseinanderliegen, wie die Zahlen belegen. Seit 1981 ist die Waldfläche in Bayern um 15.633 ha gewachsen. Bei den Ergebnissen der forstlichen Gutachten zur Situation der Waldverjüngung zeichnet sich ein positiver Trend ab. Nach dem Anstieg 2006 ist der Schalenwildverbiss – verursacht durch den strengen Jahrhundertwinter 2005/06 – bei allen Baumarten in Bayern 2009 wieder deutlich gesunken.

Warum immer nur von Schäden reden?

Ziel des bayerischen Jagdverbandes ist es, den Ausgleich zu finden zwischen dem Erhalt artgerechter Lebensräume für unsere Wildtiere und den Herausforderungen der modernen Land- und Forstwirtschaft. Rehwild knabbert nicht nur die jungen Bäume an, sondern reduziert die den jungen Baum bedrängende Konkurrenzvegetation. Wildschweine schaffen durch das Umbrechen des Waldbodens optimale Saatböden für Naturverjüngung. Warum also immer nur von Schäden reden? Wildtiere gehören zu unserem Ökosystem und brauchen Raum zum Leben. Feld, Wald und Wild sind eine unzertrennbare Gemeinschaft und machen unsere bayerische Kulturlandschaft so unverwechselbar.