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Dem härtesten Winter trotzen

Ein Artikel von Christoph Zeppetzauer | 18.12.2013 - 09:30
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In Finnland hat man die Zeichen der Zeit erkannt. Dominierten früher Kohle und Atomkraft den Strom- und Wärmesektor, so trifft man heute vermehrt auf Interesse für Strom und Wärme aus Biomasse, das genutzt werden will. Polytechnik, Weißenbach/NÖ, weist eine jahrzehntelange Erfahrung in der Biomassetechnologie auf und exportierte bis dato Dutzende Anlagen in alle Erdteile. Eine konkrete Aufbereitung des finnischen Marktes ergab sich schließlich 2010. Jarmo Kivistö, Geschäftsführer von Enerec und mit dem Vertrieb von Polytechnik-Anlagen in Finnland betraut, erklärt das Zustandekommen der Partnerschaft wie folgt: „Wir sind ein Ingenieurbüro, das zahlreiche mitteleuropäische Marken für den Umwelttechnologiebereich vertreibt. Unsere Marktkenntnis hat Polytechnik überzeugt, in puncto Vertrieb mit uns zusammenzuarbeiten.“ Enerec ist prinzipiell ein zusammengesetztes Wort aus „energy“ und „recycling“. Allein daraus erschließt sich, dass man bei Polytechnik einen Partner wollte, der seine Kunden vor Ort kompetent beraten konnte.

Am Anfang war die Bekanntmachung

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Polytechniks Anlage in Hämeenkoski © Christoph Zeppetzauer

„Viel einfacher verkauft man Anlagen, wenn man im Inland Referenzobjekte aufweist und mit interessierten Kunden diese im Betrieb besichtigen kann“, erklärt Kivistö. Da in Finnland einige starke Energiekonzerne dominieren, musste man sich zuerst einmal einen Namen machen. „In Finnland ist die Energia Tampere eine ganz wichtige Energietechnikmesse, bei der wir vertreten waren. Das Interesse jeweils an den Ständen war für uns die Bestätigung, dass Potenzial in Finnland da ist“, informiert der Geschäftsführer.

Finnlands erste Polytechnikanlage

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Wie am ersten Tag: Hämeenkoski, Polytechniks erste finnische Anlage, funkelt und strahlt © Christoph Zeppetzauer

Wir besuchen Finnlands erste Polytechnikanlage, die sich nicht weit vom enerec-Standort Lahti in der kleinen Gemeinde Hämeenkoski befindet. Die Anlage wird mit 120° C Heißwasser sowie 10 bar Betriebsdruck gefahren und ist mit 2 MWth dimensioniert. Sie ersetzte einen alten Kessel, der 500 kW Leistung mitbrachte und mittels Heizöls die Gemeinde Hämeenkoski mit Wärme versorgte. Nachdem dieser nicht mehr dem Stand der Technik entsprach, folgte die Ausschreibung eines Neubaus und Polytechnik konnte sich in einer Ausschreibung durchsetzen. „Man begründete die Vergabe einerseits mit dem guten Preis-Leistungs-Verhältnis, andererseits mit dem Ruf, den Polytechnik bereits im Baltikum und in Russland mit früheren Projekten erworben hatte“, klärt Kivistö auf. Zu Beginn 2011 ging die Anlage in Betrieb, wobei die Niederösterreicher von der Planung über die Produktion bis hin zur schlüsselfertigen Übergabe sämtliche Schritte durchführten. Als Brennstoff gelangt hauptsächlich Waldhackgut aus Fichten und Kiefern der Region zum Einsatz. Zusätzlich können auch Rinde und Torf eingesetzt werden. Den Brennstoffbedarf schätzt der Betreiber des Heizwerks, die Gemeinde, auf 7000 srm Hackschnitzel. Da unmittelbar am Gelände wenig Platz für die Lagerung bleibt, hat man in unmittelbarer Nähe einen Rundholzplatz gestaltet, wo auch sogleich „gechipped“ wird und der Frontlader lediglich die Straße überqueren muss. Ein Schubboden befördert anschließend den Brennstoff zum hydraulischen Vorschubrost im Kessel. Ein Mitarbeiter ist zum Betreiben der Anlage vorgesehen. Dieser hat den Vorteil, dass er neben einem Steuerungsraum, wo er die momentane Leistung der Anlage einsehen kann, die gleichen Funktionen am Handy und am PC zu Hause vorfindet und dies die Benutzerfreundlichkeit maßgeblich steigert. 1500 Einwohner von Hämeenkoski können mithilfe des Kraftwerks Wärme in ihren Häusern genießen. Daneben werden sämtliche öffentliche Gebäude mitversorgt.

Zweite Anlage in ähnlicher Bauweise

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Das Heizkraftwerk Lappajärvi: 2012 in Betrieb genommen, versorgt die Anlage mit 4?MWth Gesamtleistung die Gemeinde © Enerec

Polytechniks zweite Anlage in Finnland wurde 2012 in Lappajärvi in Betrieb genommen. Es handelt sich um eine Dampfkesselanlage, die sich technisch der ersten Installation ähnelt, da sie auch über eine hydraulische Vorschubrostfeuerung (2 MWth) verfügt. Diese ist zusätzlich noch mit einem Heizölkessel kombiniert, der ebenfalls 2 MWth leistet. Der Heizölkessel wird im Winter als Spitzenlastkessel eingesetzt. Wie in Hämeenkoski dienen Waldhackgut und Torf als Brennstoff.

Erste ORC-Anlage in Finnland

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Gute Partnerschaft in Lappland im Einsatz: Daniela Schneidhofer (Projektmanagerin bei Polytechnik) und Jani Ahola (Manager der Anlage) in Posio © Enerec

Neben der Wärmeerzeugung ist die Kraft-Wärme-Kopplung zur gleichzeitigen Strom- und Wärmeproduktion ein Segmentschwerpunkt bei Polytechnik. Die erste Anlage dieser Bauart in Finnland wird in diesen Tagen in Posio eröffnet. Um den räumlichen Gegebenheiten Eindruck zu verleihen: Posio in Lappland befindet sich 700 km nördlich von Hämeenkoski in Lappland. Bei Temperaturen, die sich mehr als sechs Monate im Jahr unter null befinden, haben die Lappen eines nicht: Mangel an Holz. Dabei entschied man sich für den Bau einer Anlage, die 4 MWth und 0,7 MWel leistet. Diese Dimensionierung kam bereits beim Heizkraftwerk Kuldiga/LV (s. Holzkurier Heft 9, S. 21) zum Einsatz.

Guter Draht von Österreich nach Finnland

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Hier entsteht Finnlands erste ORC-Anlage: Posio liefert 4?MW thermische sowie 0,7?MW elektrische Leistung © Enerec

Um den Vertrieb oft Tausende Kilometer entfernt zu koordinieren, ist eine gute Logistik vonnöten. „Polytechnik produziert die Teile in Österreich und liefert sie über dem Land- und Seeweg nach Finnland. Wenn wir einen erfolgreichen Abschluss getätigt haben, bleiben wir ständig bis zur Inbetriebnahme als Projektbegleiter dabei“, erklärt Kivistö die Vorgehensweise. Ist die Anlage bereits im Betrieb, stellt enerec die Servicetechniker und hilft beim Support vor Ort. In Lahti ist man zuversichtlich, dass mit den bereits laufenden Anlagen viele Interessenten noch auf Polytechnik zurückgreifen werden. Was in vielen Regionen Finnlands zugutekommt, ist die Verfügbarkeit des Rohstoffs. Polytechnik-Kessel verarbeiten eine Vielzahl an Brennstoffen, die oftmals gemixt oder von geringen Adaptionen begleitet eingesetzt werden. Maßgeschneiderte Anlagen werden in Weißenbach innerhalb kurzer Zeit erstellt und die Ideen umgesetzt. Neben Posio stellt man gerade ein renommiertes Projekt in der lettischen Stadt Liepaja fertig. Hier sorgt in Kürze ein 2 mal 15 MW leistungsstarkes Heizwerk für ökologische Wärme. Es ist damit das größte seiner Art im Ostseeraum.