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Schlankere Konstruktionen werden möglich © Pollmeier

Buche für Ästhetiker

Ein Artikel von Hannes Plackner | 27.11.2013 - 06:39
Glas, Beton und Stahl prägen die meisten Ikonen der modernen Architektur. Man denke nur an die Reichstagskuppel in Berlin (von Sir Norman Foster) oder die unlängst wiedereröffnete Wirtschaftsuniversität Wien (geplant unter anderem von Zaha Hadid). Holz gibt es dort nur als Bodenbelag, Türe oder Möbel.
Vielleicht ist der Naturstoff trotz aller Bemühungen nicht als Hochleistungswerkstoff in der modernen Architektur angekommen. Das könnte sich ändern, wenn Pollmeier seine „Baubuche“ auf den Markt bringt. Dieses Buchen-Furnierschichtholz hält die dreifache Biege- und die vierfache Zuglast im Vergleich zu Fichten-BSH (GL 24h) aus. Die Steifigkeit ist um 35 % höher. Diese statische Überlegenheit könnte das Aussehen von Holztragwerken nachhaltig verändern.

Schlanke Silhouette

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Edles Laubholz: Furnierschichten im Nadelstreif © Johannes Plackner

In seinen Verkaufsunterlagen hat Pollmeier den Unterschied zwischen Baubuche und Fichten-BSH plastisch dargestellt. Um vorgegebene Anforderungen bei einem fiktiven Biegeträger zu erfüllen, ist ein 22 mal 140 cm großer Fichtenbinder nötig. Mit Baubuche würden schon 20 mal 88 cm reichen. Der Querschnitt ist um 43 % kleiner – und das sieht einfach edel aus. Dach- und Deckenaufbauten werden so filigraner. Pfosten und Riegel aus Baubuche lassen mehr Raum. Geschickte Architekten verwenden diese Freiräume für größere Fenster oder mehr Nutzfläche – ohne, dass dafür mehr Baugrund verbraucht werden würde.
Die Ästhetiker werden aber nicht nur von der schlanken Silhouette angesprochen. Die Oberfläche von Baubuche ist eine Novität im Holzbau. Gedämpftes Buchenfurnier in Zartrosa wechselt sich mit dunklem Phenolleim ab. Wie ein edler Nadelstreif ziehen sich die Schichten über die seitliche Tragstruktur. Ober- und Unterseite zeigen die sanften Jahrringe der Buche. Schwarze Totäste oder lebhafte Musterung sucht man hier vergebens. Kein Astflicken stört die Oberfläche und Harz tritt aus dem harten Laubholz ohnehin keines aus.
Der Vergleich mit Fichten-BSH ist jedoch vielleicht unfair und falsch. Baubuche wird ohnehin eher mit Stahl konkurrieren. Bei diesem Match steht der optische Gewinner von vornherein fest. Zugegeben, der Holzkurier ist hier kein objektiver Richter, aber ein Doppel-I-Stahlprofil kann mit der Schönheit eines Holzbalkens nie und nimmer mithalten.
Der Name zielt zwar auf kon-struktiven Holzbau ab – die Baubuche wird auch im Innenausbau nicht unbemerkt bleiben. Hochfeste Naturmaterialien mit sehr konstanter Qualität sind bei Möbeln und Stiegen ebenso gefragt wie im Holzbau.

Vorteile bei Fachwerk

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Baubuche: gibt es als Platte, Träger mit stehenden Schichten und Träger mit liegenden Schichten © Pollmeier

Die hohe Dichte, die uniforme Faserstruktur und die hochwertige Verklebung verleihen der Baubuche überragende Festigkeitswerte. Die Vorteile bei der Zugbeanspruchung zahlen sich statisch vor allem bei einer uralten Konstruktionsart aus: dem Fachwerksträger. Dort treten keine Biegemomente auf – nur Zug- und Druckbelastungen. Gleichzeitig sind verhältnismäßig viele Verbindungen nötig. In beiden Bereichen profitiert man erheblich von der Baubuche. Die Stäbe können wesentlich dünner dimensioniert werden – insbesondere bei Zugbelastung. Zugleich sind zum Anschluss nur wenige Verbindungsmittel nötig. Laut Bauaufsichtlicher Zulassung (Nr. Z-9.1-838 vom 21. September 2013) lassen sich Ring- und Scheibendübel sowie vorgebohrte Holzschrauben bezüglich Tragfähigkeit ohne Abminderung auf Schmal- und Stirnfläche einsetzen. Damit könnte es möglich sein, Zugstäbe bei Fachwerksträgern einfach durch vorgebohrte Vollgewindeschrauben mit Unter- oder Obergurt zu verbinden. Pollmeier arbeitet an der Entwicklung solcher leistungsfähigen und wirtschaftlichen Lösungen.

Weniger ist mehr

Was Architekten ebenso meiden wie klobige Träger, sind Verbindungsmittel. Sie sind halt notwendig, um zwischen zwei Bauteilen einen dauerhaften Zusammenschluss herzustellen, aber schön sind sie nicht. Hier spielt die Baubuche erneut ihre Stärken aus. Mit ihrer höheren Festigkeit kann sie deutlich größere Kräfte einleiten als andere Holzbauprodukte. Beim zuvor genannten Beispielträger bräuchte der Anschluss des Fichten-BSH-Binders 20 Stabdübel. Bei Baubuche reichen zwölf, um die Kräfte (300 kN bei Zugstoß mit innen liegendem Stahlblechverbinder) einzuleiten.

Chef zeigt‘s persönlich

Noch ist die Baubuche nicht zu haben. Verkaufsstart ist im März 2014. Ob sich damit Laubholz auf Europas Baustellen durchsetzen können wird, zeigt die Zeit. Der Chef persönlich wird die Innovation in die Holzbauwelt bringen. Geschäftsführer Ralf Pollmeier stellt am Internationalen Holzbauforum von 4. bis 6. Dezember in Garmisch-Partenkirchen aus. Er ist vom Erfolg seines Produkts überzeugt: „Die Architekten bekommen damit die Möglichkeit, mit dem Holzbau eine ganz neue Ästhetik zu schaffen.“
Wer weiß, wie die Reichstagskuppel heute aussehen würde, wenn es damals schon Baubuche gegeben hätte.

Pollmeier Baubuche

Markteinführung:März 2014Produktionsvolumen:150.000 bis 180.000 m3/JMaximaldimensionen:Platte: 1,85 cm breit, 8 cm stark, 18 m lang – Überlängen auf Anfrage; Träger mit stehenden Schichten: 18 m lang, 8 cm breit, 1,85 m hoch; Träger mit liegenden Schichten: 18 m lang, 30 cm breit, zu Produktionsbeginn 60 cm hoch, später 136 cmElastizitätsmodul:16.800 N/mm2Biegefestigkeit:70 N/mm2Zugfestigkeit:70 N/mm2Mittlere Rohdichte:740 kg/m3
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Schlankere Konstruktionen werden möglich © Pollmeier