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Vermittler im Gespräch: Christian Brischke (re.) und Ulrich Arnold (li.) schlagen mit ihrer Arbeit Brücken zwischen Normen, Handwerkern und Kunden © Dinah Urban

Bedrohte Arten

Ein Artikel von Dinah Urban | 15.10.2014 - 09:52
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„Verschleißtiere“ sind auf Deutschlands Spielplätzen nicht ausgestorben © Tobias Huckfeldt

Von den rund 1,5 Millionen Holz zerstörenden Pilzarten sind bisher nur etwa 200.000 erforscht. „Für eine optimale Befallsvorbeugung beziehungsweise die gezielte Bekämpfung ist es jedoch wichtig, genau zu wissen, welcher Holzschädling vorliegt“, erklärte Kordula Jacobs auf der Holzschutztagung des Internationalen Vereins für technische Holzfragen (iVTH), die von 18. bis 19. September in Braunschweig stattfand. Die Forscherin des Mykolabors Dresden/DE stellte die Ergebnisse ihrer Untersuchung zum Befallsspektrum an frei bewitterten Hölzern vor. 98 Pilzarten aus 77 Gattungen wurden nach drei Jahren an den Versuchskörpern aus Kiefernsplint und Buche identifiziert. An jedem der fünf Versuchsstandorte, die über Europa verteilt waren, ergab sich ein spezifisches Ergebnis. Für anwesende Praktiker gab Jacobs Hinweise zum Einsenden von Proben für die Analyse im Labor. Eine Brücke zwischen Theorie und Praxis schlug ebenfalls Ulrich Arnold. Der Verfasser von Kommentierungen und Erläuterungen zu Baunormen brachte dem Publikum die DIN 68800 näher und bewertete die Holzschutznorm auf ihre Klarheit und Vollständigkeit hin.
Eine andere Verbindung stellte Sandra Lasota vor. Die Wissenschaftlerin untersucht an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Coburg sowie bei fünf Feldversuchen in Deutschland, Portugal und Frankreich die Zusammensetzung von Mikroorganismen-Gemeinschaften in Abhängigkeit von der Biozid- und Düngemittelbelastung des Bodens.
Anschließend setzte sie vorbehandeltes Holz den vielfältigen Bakterien und Pilzen aus, um zu prüfen, wie stark die Probekörper angegriffen werden. Dabei stellte sie eine große Bedeutung von Kupfer bei der Imprägnierung fest.
Univ.-Prof. Dr. Holger Militz von der Georg-August-Universität Göttingen/DE stellte fest, dass die Grundlagenforschung in Deutschland zu kurz komme. Praxisrelevante Projekte dominierten seiner Meinung nach die Branche. Immer weniger Universitäten beschäftigten sich mit dem Holzschutz und auch die Zahl der Hersteller sinke stetig, gab der erste Vorsitzende des Fachausschusses Holzschutz zu bedenken. Einen Grund dafür sieht er darin, dass Zulassungsverfahren immer teurer werden.
Dr. Peter Reißer von der Deutschen Bauchemie rechnete beispielhaft vor: „Für die Erstzulassung eines Holzschutzmittels fallen in Deutschland Gebühren in Höhe von 50.000 € an. Ist diese erfolgt, kommen für jeden weiteren darin befindlichen Wirkstoff 4000 € hinzu. Die Kosten für eine Zulassungsänderung erstrecken sich von 350 bis 37.100 €. Darin sind wohlgemerkt keine Kosten für Wirksamkeitsstudien und andere Laboruntersuchungen enthalten.“
Reißer erklärte den Tagungsteilnehmern auch den Genehmigungsweg, den ein Holzschutzmittel beschreiten muss, um zugelassen zu werden. Zunächst ist der verwendete Wirkstoff auf EU-Ebene zu genehmigen. Sobald dies geglückt ist, folgt ein Zulassungsverfahren für das Biozidprodukt, welches diesen Wirkstoff enthält. Für das Inverkehrbringen von damit behandelten Holzprodukten gelten seit September 2013 zusätzliche Bestimmungen.

Spezialeinsätze ermöglichen

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Vermittler im Gespräch: Christian Brischke (re.) und Ulrich Arnold (li.) schlagen mit ihrer Arbeit Brücken zwischen Normen, Handwerkern und Kunden © Dinah Urban

Ein Opfer der starken Reglementierung wird über kurz oder lang – wahrscheinlich 2018 – die Kreosotbehandlung von Bahnschwellen. Über Alternativen macht sich eine Forschergruppe um Dr. Antje Gellerich und Dr. Susanne Bollmus (Uni Göttingen) Gedanken. Manch einer fragte sich zu Anfang ihres Vortrags wohl: „Wozu die Mühe? Die sind doch bald sowieso alle aus Beton.“ Mit diesem Vorurteil konnte Gellerich jedoch gleich aufräumen. Sie informierte darüber, dass hölzerne Bahnschwellen gerade bei extremer Beanspruchung, wie in engen Kurven, Tunneln, Brücken und im Wirkkreis von Weichen, den Anforderungen eher gewachsen seien.
Die Deutsche Bahn erwartet eine 30-jährige Liegezeit für Holzbahnschwellen. Dabei dürfe das verwendete Holzschutzmittel nicht gegen die Umweltvorschriften des Unternehmens verstoßen, wie Gellerich berichtete. Dr. Christian Brischke von der Leibniz Universität Hannover brachte noch ganz andere Kundenwünsche ans Tageslicht. In seiner Vorstellung zweier Studien zur performancebasierten Klassifizierung von Bauprodukten präsentierte der Holzwirt und Holztechniker Gebrauchsdauererwartungen von Eigenheimbesitzern sieben europäischer Länder. Im Mittel wurden die höchsten Ansprüche an Holzrahmen und -ständer (49 Jahre) sowie Dachbalken (44 Jahre) gestellt. Das ist je nach Region aber stark unterschiedlich. Während in den Niederlanden eine mittlere Gebrauchsdauer über alle abgefragten Produkte (etwa Fenster, Balkone, Zäune) von 23 Jahren erwartet wurde, waren es in Frankreich und Deutschland 32. Brischkes Ziel ist es, in den europäischen Forschungsprojekten Woodbuild und Woodperform den schwammigen Begriff „Performance“ quantitativ greifbar zu machen. Das soll Kunden genauso wie Architekten und Handwerkern mehr Sicherheit und eine einheitliche Sprache bei der Auftragsvergabe bringen. Der Sachverständige Björn Dinger dürfte die Intention Brischkes begrüßen. Schließlich referierte er über die Bewertung von Mängeln an Holzterrassen. Seiner Erfahrung nach erstreckt sich das Schadensausmaß von tatsächlich fehlerhaften Konstruktionen bis hin zu realitätsfremden Kundenerwartungen an Optik und Haptik. Ein ähnliches Spektrum bietet sich immer wieder auch Hans Schmidt, ebenfalls Sachverständiger. Der schmale Grat zwischen gewünschter Optik und notwendigem konstruktivem Holzschutz sei bei Holzbalkonen schwer zu finden. Die DIN 68800 lege den Schwerpunkt auf den baulichen Holzschutz. Bei einem optimal geneigten Balkon, von dem Regenwasser mühelos abfließen kann, wäre jedoch wieder die Gebrauchstauglichkeit infrage gestellt, da schon eine beträchtliche Steigung nötig wäre, um Feuchtenestern vorzubeugen. Kompromisse müssen also gefunden werden. Fahrlässigkeit sei hingegen um jeden Preis zu vermeiden. Sachverständiger Detlef Krause wusste nur zu gut, was damit gemeint war (s. S. 21).
Dr. Tobias Huckfeld (IFHolz, Hamburg) konnte hierfür ebenfalls ein passendes Beispiel bringen.
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Das Gegenteil von gut? Gut gemeint: Die vielversprechende Dachkonstruktion endet abrupt und leistet Pilzen sogar noch Befallsbeihilfe © Tobias Huckfeldt

Grundsätzlich sei das Wissen um den baulichen Holzschutz vorhanden. Bei seinem Untersuchungsobjekt, den Fäuleschäden an Spielplätzen, zeige sich jedoch immer wieder eine gewisse Inkonsequenz in der Umsetzung. Das sei geradezu einladend für Holz zerstörende Pilze. Er führte jedoch auch gelungene Exemplare an, über die sich wohl jeder der anwesenden Sachverständigen nur freuen konnte. Ab und zu lief dem Wissenschaftler dennoch eine seltene Art über den Weg: ein „Verschleißtier“, dessen biologischer Abbau innerhalb weniger Jahre einfach einkalkuliert wird. An diese Idee knüpfte auch Holger Militz an. Es sei paradox, dass die Ansprüche an das Holz stetig steigen, die Forschung im Holzschutz aber immer beschwerlicher werde. Dennoch konnte er eine noch sehr junge Technik vorstellen: die Plasmabehandlung von Holz. Der vierte Aggregatzustand könne als hauchdünne Schicht den Werkstoff nach Belieben hydrophob oder hydrophil werden lassen. Das könne etwa zur Erhöhung der Dauerhaftigkeit oder der Farbaufnahme beitragen.