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Das Mikrofon (1) ist für ein spezifisches Frequenzband optimiert und lässt sich auch nicht vom Spänegebläse (2) stören © Plackner

Akustiker der Säge

Ein Artikel von Hannes Plackner | 02.09.2014 - 07:19
Alles, was man hören kann, kann man auch messen.“ Unter dieser Prämisse stand die Entwicklung eines Systems, welches den Einschnitt im Sägewerk revolutionieren könnte. Fellner Engineering, Wien, und ein österreichisches Projektteam von Stora Enso haben in zwei Jahren das „Circular Saw Monitoring“-System entwickelt (s. Link). Im vorangegangenen Bericht wurde die Arbeitsweise vorgestellt. In einem Satz zusammengefasst: Das System misst die Geräusche eines Kreissägeaggregats, erkennt aufgrund des Tons drohende Zwicker und verhindert diese, indem es den Vorschub kurz unterbricht.
Der Holzkurier hatte die rare Gelegenheit, Einblick in den Innovationsprozess zu bekommen. Getrieben wurde der von zwei maßgeblichen Protagonisten: Christian Laaber, Schallingenieur bei Fellner Engineering, und Werkzeugexperte Thomas Schmid, welcher das Projekt für Stora Enso leitete.

So einfach und doch so schwer

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Das Mikrofon (1) ist für ein spezifisches Frequenzband optimiert und lässt sich auch nicht vom Spänegebläse (2) stören © Plackner

Erfahrene Maschinenführer und Betriebsleiter kennen das Phänomen: Das Geräusch einer Maschine verrät viel über ihren Zustand. Stora Enso suchte schon länger eine Möglichkeit, die Schallinformationen zu verwerten. An dieser Aufgabe im rauen Sägewerksalltag scheiterten aber alle – sogar Universitätsinstitute. Bis Schmid auf der Intertool-Messe auf Fellner Engineering stieß. Ein fruchtbares Zusammentreffen.
Wenn Laaber erzählt, was da-raufhin geschah, klingt das zunächst recht simpel. Stora Enso wollte Zwicker bei der Nachschnittsäge vermeiden. Fellner baute dafür ein robustes Mikrofon ein und zeichnete über acht Wochen 40 Mal pro Sekunde die Geräuschkulisse auf. Zusätzlich wurden Zwicker auf der Datenkurve manuell markiert. Doch dann begann die mühsame Spurensuche. In Gigabyte an Datensätzen stöberten Laaber und Schmid nach brauchbaren Signalen. Dazu wurde die Schallkulisse direkt vor einem Zwicker mit den üblichen Emissionen verglichen.
„So haben wir definiert, ab wann die CSM einen Fehler erkennen sollte, und es war Zeit für den ersten Praxislauf“, erinnert sich Laaber. Der sollte sich als sehr erfolgreich herausstellen. Gleich am ersten Vormittag wurde ein Bloch geschnitten, welches innen gebrochen war. Das setzte die Sägeblätter der Nachschnittkreissäge in Schwingung. Der Vorschub stoppte und damit hatte das System seine Tauglichkeit eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Doch das ist nur der Anfang.

Konstante Überwachung

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Am Leitstand in Ybbs zeigte sich die CSM-Kurve (Monitor li.) während des Holzkurier-Besuchs unauffällig © Plackner

Für die Betriebsleitung sind die Daten aus dem System CSM extrem wertvoll. Sie sind eine konstante Rückmeldung über einen Kernprozess (das Sägen an sich), welcher ansonsten kaum zu überwachen ist.
Das ursprüngliche Projektziel, Zwicker zu reduzieren, war schnell erreicht. Die Daten, welche Fellners System liefert, können aber weit mehr. Schmid fand etwa Signale, welche Aufschluss über die Schnittigkeit zulassen. Sogar eine Materialermüdung im Blattkörper lässt sich erhören. „Das System sagt dir, einfach ausgedrückt: Wenn du mit dem Sägeblatt weiterfährst, wird es in der nächsten Stunde sterben“, beschreibt Schmid.
Die Daten werden über eine SPS-Schnittstelle an die Sägeliniensteuerung übermittelt. Darauf aufbauend, wird nicht nur der Vorschub zur Zwickerprävention unterbrochen (für rund eine Sekunde). Der Maschinenführer bekommt den Zustand des Sägeblatts angezeigt oder kann aufgrund der Schallkulisse den Vorschub anpassen.

System wird multipliziert

Wie viel sich Stora Enso an Sägeblättern erspart oder wie rasch sich die Investition amortisieren wird, behält der Konzern für sich. Allerdings wurde das CSM allein in Ybbs schon bei drei Nachschnittkreissägen installiert und wird gegenwärtig bei allen Spanerlinien in Zentraleuropa nachgerüstet. Laut Aussage von Geschäftsführer Wolfgang Fellner haben bereits zwei weitere international tätige Sägewerksbetreiber das System geordert.

Kleine Investition

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Protagonisten einer Innovation: Projektleiter Thomas Schmid von Stora Enso (li.) und Schallingenieur Christian Laaber von Fellner Engineering © Plackner

Wer mehr über das CSM wissen will, sollte die Klagenfurter Holzmesse besuchen. Fellner Engineering wird dort seine Innovation präsentieren. Das Interesse könnte allerdings durchaus groß sein. Denn nachdem sich der Grundsatz: „Was man hört, können wir messen“, bei Nachschnittaggregaten bewährt hat, denkt Fellner nun weiter. Auf der Hand liegt die Überwachung der Seitenwarenabtrennung, aber auch die Steuerung von Hobelanlagen oder sogar Abbundmaschinen scheint möglich.
Wer es nicht nach Kärnten schafft, den empfangen die Schallmesser gerne am Wiener Unternehmenssitz oder die Interessenten werden vor Ort besucht.