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Der Roboter arbeitet in einer eingehausten Kabine © Bidac

Abbundzukunft ist orange

Ein Artikel von Hannes Plackner | 08.10.2014 - 15:59
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Der Roboter arbeitet in einer eingehausten Kabine © Bidac

Würden Leimholzverarbeiter ihre Abbundanlage beim Christkind bestellen, stünde wohl Folgendes am Wunschzettel. Sie sollte: alle denkbaren Bearbeitungen an großen BSH- und BSP-Elemente beherrschen, in der bestehenden Halle Platz haben, günstig im Betrieb sein, auf Basis eines CAD-Plans ohne menschliches Zutun fertige Elemente erstellen und am Ende des Tages noch sich selbst und den Arbeitsbereich reinigen (immerhin sind wir in der Wunschzettelsektion).
Was nach Utopie klingt, haben ein Südtiroler und ein schwäbisches Unternehmen zur Wirklichkeit gemacht. Der Steuerungsspezialist Bidac, Kaltern/IT, und der Spezialmaschinenbauer SMB, Vöhringen/DE, entwickelten gemeinsam einen Abbundroboter. Basis ist ein orangefarbener Industrieroboter in der schwersten Ausführung, die es vom Hersteller Kuka gibt.

Platte liegt, Roboter fährt

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Die 48?kW starke Spindel sitzt auf einem Arm mit 3,5?m Reichweite © Bidac

Einen ersten Abbundroboter hat Bidac schon 2008 bei Moser Holzbau in Taisten/IT installiert. Schon bald war Bidac-Chef Bernhard Hofer klar: Das funktioniert. Auf Basis seiner Erfahrungen suchte er einen leistungsfähigen Maschinenbauer, um das volle Potenzial der flexiblen Anlagen abzurufen. Nördlich der Alpen stieß er bei SMB-Geschäftsführer Andreas Engler auf offene Ohren. Sein Team konstruierte und baute eine Linearführung für den Roboter. Das ist nichts anderes als eine Schiene, die entlang der Bearbeitungszone führt. Klingt einfach, stellte SMBs Ingenieure vor immense Aufgaben. Der orange Roboter hat 4 m Reichweite, muss aber auch bei gestrecktem Arm mit einer Genauigkeit von ± 0,5 mm arbeiten. Harzanhaftungen auf der Führungsschiene könnten eine Abweichung verursachen. SMB verwendet daher „extrem präzise“ (Engler) Kugelumführungen und hat die Schienen allseitig eingehaust. Das verbesserte Modell wird noch im Oktober bei Moser Holzbau installiert.

340 kg am 3,5 m langen Sechsachsarm

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Die 48?kW starke Spindel sitzt auf einem Arm mit 3,5?m Reichweite © Bidac

Das Herzstück ist der Roboter. Die sparsamen Elektromotoren, der schwerere Stahlguss und präzise Gelenke wurden über Jahrzehnte in der Automobilindustrie perfektioniert. Ob nun V6-Motoren in eine Karosserie gehoben oder Brettsperrholz-Platten mit mächtigen Kreissägeblättern zerteilt werden, das ist der orangen Maschine einerlei. Der Arm hat 3,5 m Reichweite und hebt bis zu 340 kg. Die Werkzeuge werden auf einer wassergekühlten 48 kW-Spindel montiert. Die ruft ihre Maximalleistung zwischen 1440 und 3000 U/min ab, also genau in jenem Bereich, in dem die meisten Holzwerkzeuge eingesetzt werden. Die Reichweite für gerade Schnitte – etwa, um eine BSP-Platte zu formatieren – erreicht 4 m. Das ist möglich, weil der Roboter auf einer Plattform montiert ist, die einen halben Meter über das Werkstück reicht.

Werkstück wird automatisch eingemessen

Genug der Technik – folgen wir einem Werkstück durch die Bearbeitung. Grundlage sind die CAD-Planungsdaten. Bidacs Software wandelt sie in das Maschinenformat (Kuka-Robot-Language) um. Nach mehrjähriger Erfahrung habe man diesen Schritt im Griff, erklärt Hofer. Standardbewegungen (etwa Besäumungsschnitt) braucht man dem Roboter ohnehin nicht zu erklären. Für den Abbund spezifische Wege – etwa zum Werkzeugwechsler – haben die Südtiroler programmiert. Die Maschinendaten sind also vorhanden. Nun legt ein Mitarbeiter per Seitenstapler oder Hallenkran eine BSP-Rohplatte auf. In Taisten haben bis zu 16 m-Elemente Platz. Über dem Arbeitsfeld ist ein Kamera-Vermessungssystem montiert. Es erkennt die Position und Ausrichtung des Werkstücks auf dem Bearbeitungstisch. Die Software passt die vorgesehenen Bauteile ein und schon geht‘s los. Verblüffend schnell arbeitet der eingehauste Roboter die Arbeitsschritte ab. Begrenzt ist die Industriemaschine nur von den maximalen Schnittgeschwindigkeiten der Werkzeuge. Bei Bedarf wird die Platte gewendet. In diesem Fall wird automatisch mit einem präzisen, neuen Bauteilvermessungssensor, der mit der Werkzeugspindel mitfährt, vermessen. Sobald der Abbund vollzogen ist, holt der Bediener das fertige Element und legt die nächste Platte auf.

Wertschöpfung auf engstem Raum

Wer den „passionierten Roboterfan“ Hofer auf die Vorteile seines Systems anspricht, sollte sich ein paar Minuten Zeit nehmen. Hier ein Auszug:
    Der Roboterabbund braucht sehr wenig Platz.Die Platte kann per Seitenstapler geholt werden, weil der Arbeitsbereich einseitig offen ist.Der Roboter ist sehr wartungsarm.Für höhere Kapazität lässt sich ein zweiter Roboter auf einer Linearführung installieren oder die Führung wird zwischen zwei Felder gesetzt.
Wer die Anlage in Aktion sehen will, sei in Taisten herzlich willkommen, betont Hofer. Dort ist Geschäftsführer Georg Moser mittlerweile auch Roboterfan: „Wir machten gute Erfahrungen mit der Technologie. Es gab keine Störungen mit dem Roboter. Die Gründe für ein neues Roboter-BAZ waren die Tatsachen, dass es wenig Platz braucht sowie flexibel, schnell und energieeffizient arbeitet. Wir sind von dieser Innovation begeistert.“
Noch steht die Technologie erst am Anfang. Hofer denkt schon an Roboter, welche Bretter selbst erkennen, abheben und zu BSP-Elementen vernageln. Ausschnitte werden selbsttätig rausgehoben und abgestapelt. Und am Ende des Tages holt sich der Roboter einen Absaugschlauch und reinigt die komplette Anlage inklusive sich selbst. Willkommen in der Zukunft!
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Details des Roboterabbunds im 3D-Rendering © Bidac

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Details des Roboterabbunds im 3D-Rendering © Bidac